Vitrolles liegt im Großraum der südfranzösischen Metropole Marseille, die bekanntlich trotz ihrer schönen Lage am Meer einige harte Seiten hat. Erklärt dies vielleicht auch, warum der Kleinstadt ein gewisser Hang zum Beton nicht abzusprechen ist? Der Pariser Architekt Jean-Pierre Lott jedenfalls befriedigt dieses mutmaßliche Bedürfnis mit einem stattlichen Volumen, dessen amöbenhafte Form entfernt an eine Savoy-Vase von Alvar und Aino Aalto erinnert.
Die Gesamtkomposition zeugt von einer Freude am Grotesken, schwebt doch der Betonkörper – den Lott als leicht wallenden Schleier bezeichnet – auf einem verglasten Erdgeschoss, das dem Gewicht zumindest visuell kaum standzuhalten vermag. Die Dialektik, die dieser Lösung zu Grunde liegt, ist zumindest in funktionaler Hinsicht stringent. Auf Straßenniveau sollen die Menschen mit demonstrativer Offenheit in den Neubau gelockt werden, während im Obergeschoss die massive Fassade den Lesesaal schützend umschließt. Insgesamt 4.000 Quadratmeter Nutzfläche bietet das Projekt, das Netto rund 10 Millionen Euro gekostet hat.
Im Gegensatz zum etwas prekären Äußeren kehren sich die Verhältnisse im Inneren um. Mit öffentlichen Funktionen dicht programmiert, bleibt im Erdgeschoss nur wenig Luft zum Atmen. Geht man die Treppe hinauf, öffnet sich ein fließender Raum, der durch Dachöffnungen in Nordausrichtung viel gleichmäßiges Licht erhält. Hinter der gewellten Fassade versteckt sich außerdem eine Terrasse, die einen den Beton berühren lässt – was nicht nur den Kindern von Vitrolles gefallen dürfte, die es sich auf dem Foto bereits gemütlich gemacht haben. (sb)
Fotos: Aldo Amoretti
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