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21.03.2025

Erweiterung fürs Freilandmuseum Oberpfalz

Max Otto Zitzelsberger über langsames Bauen


Alle sprechen davon, das Bauen zu beschleunigen. In der Oberpfalz gibt es ein Freilichtmuseum, das einen anderen Weg geht. Das dortige Haus für die Museumspädagogik entsteht bewusst langsam und hinterfragt den eigenen kulturellen Kontext. Max Otto Zitzelsberger, der die Planung mitverantwortet, hat BauNetz die Hintergründe erläutert.

Von Maximilian Hinz


Wenn ein Rohbau mit wasserresistenten Planen gegen Niederschlag geschützt wird, ist das in der Regel kein Moment für professionelle Architekturfotografien. Im Freilandmuseum Oberpfalz in Nabburg schon. Hier entsteht seit 2021 das Lernhaus für Umweltbildung als Erweiterung der Anlage. Mit circa 450 Quadratmetern Bruttogrundfläche ist es eine vergleichsweise kleine Maßnahme, die aber nach vier Jahren Bauzeit gerade erst beim Rohbau ist. Deutsche Flughafen- oder Bahnhofsverhältnisse im Mini-Maßstab? Keineswegs, die Gemächlichkeit ist hier Konzept.

Verantwortlich für die Planung ist ein Team um Max Otto Zitzelsberger, der das Projekt im Rahmen einer Forschungsarbeit an der RPTU Kaiserslautern-Landau leitet. Das Freilandmuseum benötigte zusätzlichen Raum für seine Vermittlungsarbeit, was Anlass für die Kooperation mit dem Fachgebiet „Tektonik im Holzbau“ bot. Allerdings fehlte dem vom Bezirk getragenen Museum das Geld, was bei Neubauplänen öffentlicher Institution üblicherweise dazu führt, vorerst in der Schublade zu verschwinden.

Es sei denn, man überzeugt die politischen Entscheider*innen mit einer erfrischend pragmatischen Lösung, wie sie Museumsleiter Tobias Hammerl und seinem Team gelang: Sie bauen einfach immer dann, wenn genügend Ressourcen – also Geld, Material und Arbeitskraft – vorhanden sind. Deshalb ist die temporäre Fassade aus alten Planen und einer Befestigung aus Restholzabschnitten auch ein relevanter, zumal fotogener Schritt. Sie dient den offenen Stoßkanten der Holzelemente als Witterungsschutz an der Wetterseite des Rohbaus.

Aus der Not ein Entwurfsprinzip gemacht

Die Bauaufgabe scheint wie gemacht für Zitzelsberger, der schon 2018 in unserer Shortlist die Frage aufwarf, wie viel Zeit wir uns zum Bauen nehmen. Damals bezog er sich auf die handwerkliche Qualität der Umsetzung – das Lernhaus geht darüber hinaus. Zitzelsberger erklärt im Gespräch seine Skepsis gegenüber konventionellen Planungsmodellen, die festgelegte Resultate in starre Zeitpläne pressen. Er beobachte, dass auf die gestiegene Komplexität heutiger Baubedingungen mit noch intensiverer Kontrolle reagiert wird, was letztlich zu zähen Entscheidungen führe. Für das Lernhaus gibt es keinen fertigen Entwurf. Sein gestalterisches Konzept wird schrittweise weiterentwickelt.

Umgesetzt wird es als partizipative Baustelle, an der neben den Verantwortlichen des Museumsbauhofs auch Studierende, Azubis oder sogar Schulkinder und Gäste mitwirken – auch wird das Lernhaus bereits für Ausstellungen genutzt, obwohl es längst nicht fertig ist. „Im Sommer haben wir sogar schon in dem Bau übernachtet“, berichtet Zitzelsberger. Künftig wird es regulär Schlafräume für Gruppen, wie beispielsweise Schulklassen geben.

Bloß keine Schublade

Geht es hier um ein Bauen wie früher, „als die Welt noch in Ordnung war“? Nur das, was notwendig ist – lokal, pragmatisch, suffizient? Die Antwort Zitzelsbergers: Ja und nein. Bezeichnend für das Ja ist die Beschaffung des Bauholzes. Zimmerermeister Anton Götz wählte die passenden Bäume im lokalen Wald, ließ sie mit Pferden in die Lagerung ziehen und ohne mechanische Hilfe beinahe zwei Jahre trocknen. Die Qualität des Materials sei deutlich besser als übliches KVH, sodass die beteiligten Tragwerksplaner*innen von merz kley partner (Dornbirn) vergleichsweise kleine Querschnitte für den Ständerbau ansetzen konnten.

Zugegeben, das ganze klingt auch ein wenig nach aktuellem Zeitgeist: Slow-Food, Slow-Fashion, ergo Slow-Architecture? Zitzelsberger versucht mit diesem Haus allerdings, kulturideologische Schubladen aufzubrechen. Angefangen beim Kontext: Freilichtmuseen sind Ansammlungen historischer, lokaltypischer Gebäude – im Einzelnen original, als gesamte Anlage eine konstruierte Wirklichkeit. Für Nabburg wurde in den 1980er Jahren ein ganzer Vierseithof transloziert, mitsamt der Leerstelle, die ein zuvor schon abgebranntes Gebäude hinterlassen hatte. Nun wurde diese aufgefüllt, mit einem Neubau, der den Widerspruch offen zeigt.

Gelungene Chimäre oder kein Fisch, kein Fleisch?

Das Haus orientiert sich grundsätzlich an Kubatur und Position seines prinzipiellen Vorgängers, um ihn dann ständig zu verfremden. Statt direkt an die anderen Hofgebäude anzudocken, rückt der Neubau ein Stück ab – nur so weit, dass der Hof als solcher wahrgenommen, ein Bruch aber spürbar wird. Zwei schräge Annexbauten rekurrieren laut Zitzelsberger auf das typisch „Verwurschtelte von Bauernhäusern“, der Grundriss des Haupthauses ist hingegen geradlinig und offen. Die handwerklich gefertigten Verbindungen orientieren sich am Fachwerk, was aber von industriellen Spanplatten und Trapezblechen konterkariert wird. Statt eines Mauersockels scheint der Ständerbau zu schweben.

„In der freien Wirtschaft wäre das Projekt innerhalb der aktuellen Strukturen der Bau- und Planungsbranche schwer zu realisieren und aufgrund der langen Laufzeiten auch zu teuer“, räumt Zitzelsberger selbst ein. Eben deshalb hat es Museumsleiter Hammerl als Forschungsprojekt aufgezogen. Und im Rahmen dessen setzen sich die Planer*innen mit kultureller Identitätsbildung durch Architektur auseinander. Mit dem Lernhaus soll das verklärte Bild einer vermeintlich tradierten, vorindustriellen Idylle – wie es einem Freilichtmuseum durchaus innewohnt – dekonstruiert werden. Ob das auch die Museumsgäste verstehen? Bislang komme das Konzept gut an. Vielleicht gerade durch das langsame Bauen und Aneignen. Nächster Schritt: die in einem Workshop hergestellten Lehmschindeln an die Fassade bringen.

Fotos: Sebastian Schels


Zum Thema:

Als eines von 23 Projekten stand das Lernhaus des Freilandmuseum Oberpfalz auf der Shortlist zum DAM Preis 2025.

freilandmuseum-oberpfalz.de


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