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09.06.2021

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Buchtipp: Faschismus und Architektur

Max Bächers Auseinandersetzung mit Albert Speer


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Heute würde man Max Bächer (1925–2011) vermutlich einen Tausendsassa nennen: Er war nicht nur Architekt mit eigenem Büro, sondern 1964–94 auch Professor an der Technischen Hochschule in Darmstadt, dazu scharfzüngiger Publizist, Kritiker und Autor – und nicht zuletzt allgegenwärtiger Preisrichter. Zwischen 1960 und 2010 nahm er an wohl über 400 Auswahljurys teil, wobei er zumeist den Vorsitz hatte. „König der Wettbewerbe“ und „der große Vorsitzende“ waren nur zwei der ihm erfürchtig-schmunzelnd verliehenen Titel. Dieses vielfältige Schaffen hielt er nicht nur in seinen Veröffentlichungen fest, sondern auch in Notizen, Protokollen, Unterlagen und Briefen. Sein Archiv kam nach Bächers Tod 2011 in das Deutsche Architekturmuseum DAM. Was tun mit einem solchen Berg? Na, man erkundet ihn.

Gut, wenn sich für diese Aufgabe eine passende Forschungsgemeinschaft findet. In diesem Fall das 2017 gegründete Center for Critical Studies in Architecture CCSA, das Studierende der Kunstgeschichte und Architektur zu interdisziplinären Seminaren und Projekten zusammenführt, getragen von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, der TU Darmstadt und dem DAM. Ein erstes Seminar des CCSA beschäftigte sich ab 2017 mit Bächer. Daraus entstand 2019 die Ausstellung „Max Bächer. 50 Meter Archiv“ in der TU Darmstadt. Zu dieser ist eine wunderbare Publikation gleichen Namens erschienen, die sich mit Bächer als Juror, Publizist, Architekt und Hochschullehrer beschäftigt und als erster Band den Auftakt der Reihe CCSA Topics bildet. Das Buch bietet eine sehr gute Übersicht aber auch erste Tiefenbohrungen, insbesondere zu den bemerkenswerten Wettbewerben zum Rathaus Fellbach im Jahr 1979, dem Deutschen Historischen Museum (Berlin, 1988) und dem Potsdamer Platz (Berlin, 1992).

Eine solche Tiefenbohrung hat nun auch Frederike Lausch im Rahmen eines Fellowships der Wüstenrot Stiftung vorgenommen. Das Ergebnis ist kürzlich unter dem Titel Faschismus und Architektur. Max Bächers Auseinandersetzung mit Albert Speer erschienen. Schon im ersten Buch hatte sich ein eigenes Kapitel um Bächers Beschäftigung mit Albert Speer gedreht und dabei insbesondere deren Briefwechsel sowie Bächers Bemühungen um ein Treffen mit dem alten Mann dokumentiert. Faschismus und Architektur beginnt nun mit dem vollständigen Abdruck von Bächers 15-seitigem, handschriftlichem Gedächtnisprotokoll seines Treffens mit Speer am 17. Februar 1973. Es ist ein einmaliges und wundersames Dokument. Hat man sich auf die Handschrift eingelassen, entwickelt sich eine atmosphärisch dichte Erzählung von erstaunlicher Kraft und Spannung, die auf einen großen, finalen Kampf hinzuführen scheint, der sich dann jedoch als gemeinsames Abendessen bei Rotwein herausstellt.

Für das Buch ist damit der Tonfall gesetzt: Lausch dehnt die Perspektive Kapitel für Kapitel aus. Sie dokumentiert Bächers unpublizierte Vorträge zur NS-Architektur und geht seinen Fragen nach, ob etwa von einem „internationalen Klassizismus“ die Rede sein könnte, ob Säule, Bogen oder Achse an sich quasi „gut“ oder „böse“ sein können oder ob insbesondere bei den Rationalisten von einer neofaschistischen Architektur gesprochen werden könne. Schließlich folgert die Autorin – soviel sei vorweggenommen – mit Bächer, dass eine ideologische Architekturkritik zu kurz greift, solange sie sich alleine mit Formen und Stilelementen beschäftigt – und dass es jenseits der Frage nach Säule oder Bogen vor allem auch um eine moralische Verantwortung in jedem Beruf gehe.

Zum Schluss widmet sich Lausch der geharnischten Kritik, die Bächer über Speers beeindruckend unreflektiertes Buch Architektur. Arbeiten 1933–1942 von 1978 auskippte. Diese gipfelte in einem offenen Brief, den die Zeitschrift der architekt im Juni 1979 veröffentlichte. Der Brief ist in seiner publizierten Form bereits scharf genug. Aber es ist eine große Freude, dass Lausch auch das handschriftlich überarbeitete Original aus dem Nachlass zeigt. Ansonst wäre dieser wunderbare Satz verloren gegangen, den Bächer letztlich strich: „Das ist doch hanebüchen, wie Sie Ihre Architektur, mit der man Nashörner vertreiben konnte, mit selbstgedüngtem Lorbeer eingrünen.“ Das ist ein Satz von solch funkelnder Schönheit, dass man ihn gar nicht oft genug lesen kann.

Denn das ist festzuhalten und gilt für beide Bücher: Sie glänzen in der Ernsthaftigkeit und Genauigkeit, mit der sie sich einerseits der staubtrockenen Archivarbeit und der Dokumentation der Fundstücke hingeben – um diese dann anderseits mit viel erzählerischer Freude aufzubereiten, so dass die Lektüre einfach Spaß macht!

Text: Florian Heilmeyer

Faschismus und Architektur. Max Bächers Auseinandersetzung mit Albert Speer

Frederike Lausch
Wüstenrot Stiftung und CCSA (Hg.)
Deutsch und Englisch
276 Seiten
M Books, Weimar 2021
ISBN 978-3-944425-15-3
15 Euro

Die CCSA Topics werden zugleich als Print- und als digitale Open-Access-Publikationen veröffentlicht! „Max Bächer. 50 Meter Archiv“ und
„Faschismus und Architektur“ können auf der Webseite des CCSA als kostenloses PDF heruntergeladen werden.


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

7

Dennis | 10.06.2021 14:56 Uhr

was los..

ob in anderen Berufen auch so ein Scheiß gelabert wird?

6

archi | 10.06.2021 09:38 Uhr

...

...der Kopf, immer da, ohne wirklich verstanden zu haben, warum. Warum? Weil sich das Viele nicht auf das Wenige reduziert. Weil: Die Gier, entstanden um kaputt zu machen, ohne Kopf agiert...

5

STPH | 10.06.2021 09:08 Uhr

...

...doch zunächst, Dreh und Angelpunkt ist der Raum, das Elementarerlebnis des unbegrenzt schwarzen Raumes, der sich nachts öffnet, zwischen den Sternen durch immer weiter.

Das ist die Mutter allen modernen Raumgefühls.

4

STPH | 10.06.2021 08:53 Uhr

...

....doch wohin mit dem Bauchgefühl? Es wird zum Kopfgefühl, zu einer entgrenzten Emotionalität, wendig, schnell umschlagend, extrem mobil. Ja das gibt s. Kopf ist nicht nur rational. Es ist der entfesselte Riecher.

Was wir genial nennen ist nur entgrenztes Denken, das sich frei machen, alles mit allem spielerisch zu kombinieren. Das kann jeder lernen und das Web heizt die Sache noch an.

3

ixamotto | 10.06.2021 08:49 Uhr

@STPH

Manche ihrer Schwurbel-Kommentare sind so grotesk, dass es einen aus den Schuhen haut: "...wie Mods und Rocker" schreiben sie, um ihre seltsamen Vorstellungen über das Verhältnis von Nationalsozialismus und Moderne zu illustrieren, und man wünscht sich, sie hätten sich ein wenig in Kritischer Theorie und Dialektik der Aufklärung geübt, anstatt in plumper Analogie. Holocaust und Vernichtungskriege als "melancholischer Abgesang" (auf was eigentlich?) - nicht Ihr Ernst, oder?
Und zum städtebaulichen "Programm" der Nazis fragen Sie: "Wird hier versucht, das Überich, den leeren Himmel zu erschließen und zu kolonisieren?" Die Antwort: Nein, mit Freud hat das wenig zu tun, genauso wenig, wie das Überich mit dem Himmel. Es ist zum Haareraufen...

2

archi | 09.06.2021 21:41 Uhr

Der Witz,

auf Bild Nr. 4, oben links, ist auf der einen Seite sehr witzig, und auf der anderen Seite total traurig. Manche haben es anscheinen verstanden, die "anderen" manche wiederum nicht. Was bringt es für die Gesamtheit?

1

STPH | 09.06.2021 19:59 Uhr

...

Der Größenwahn als Umpolung vom Menschenmaß zum von oben heruntergebrochenen Gesamtraum, ist dem NS Klassizismus und der Moderne gemein. Nur arbeitet die Moderne mit dem entmaterialisierten Raum, dem Geist, der NS Klassizismus aber mit der erdverbundenen Masse, dem Körper. Beide sind so die zwei Seiten einer Medaille und haben sich entsprechend bekämpft, wie Mods und Rockn Roller. Die Rockn roller als melancholischer Abgesang auf den außer Betrieb genommenen Körper in schwarzer Trauer und entsprechend gewalttätig.
Ein ähnliches Trauerspiel liefert der zuckende Körper, eingespannt in einer Fitnessapparatur. Das Tier hat ausgedient. Der Geist, der ihn überflüssig gemacht hat aber nicht. Da stehen wir nun.

Warum aber nur dieser Größenwahn etwa in der Wahl des städtebaulichen Maßstabs. Wird hier versucht, das Überich, den leeren Himmel zu erschließen und zu kolonisieren? Die Perspektivumkehr vom Überich runter zum ich, vom Geist zum Körper.

 
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„Max Bächer. Faschismus und Architektur“ ist eben erschienen und Band 2 der Reihe CCSA Topics.

„Max Bächer. Faschismus und Architektur“ ist eben erschienen und Band 2 der Reihe CCSA Topics.

„Max Bächer. 50 Meter Archiv“ von 2019 bildete den Auftakt der Reihe CCSA Topics. Die CCSA Topics werden als Print- und zugleich als Open-Access-Publikationen veröffentlicht.

„Max Bächer. 50 Meter Archiv“ von 2019 bildete den Auftakt der Reihe CCSA Topics. Die CCSA Topics werden als Print- und zugleich als Open-Access-Publikationen veröffentlicht.

Gedicht „Kinderzeichnung“ von Reiner Kunze, Collage mit einer Fotografie von Max Bächers Haus Huber am Ammersee von 1982

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