Liest man sich durch die Gästelisten kulturjournalistischer Podcasts, dann fällt auf, dass unter Musiker*innen, Schauspieler*innen, Schreibenden, Medienschaffenden oder Politiker*innen die Architekt*innen eher selten zu finden sind. Zwar geben sie in zahlreichen fachjournalistischen Formaten Auskunft über aktuelle Projekte, doch im persönlicheren Interview zu Leben und Schaffen, Begegnungen, Entscheidungen und Prägungen oder mit Abschweifungen ins Private sind die individuellen Stimmen von Architekt*innen eher die Ausnahme. Wir haben zwei hörenswerte Beispiele gefunden.

Frisch an die Arbeit

Der Zeit Online-Podcast „Frisch an die Arbeit“ trägt seinen thematischen Schwerpunkt zwar im Titel, doch es geht bei der Frage nach dem beruflichen Tun weniger um das Was, als vielmehr um das Wie. Folgerichtig dreht sich das im März 2023 von Daniel Erk moderierte, rund 50-minütige Gespräch mit dem Berliner Architekten Matthias Sauerbruch, Sauerbruch Hutton auf unterhaltsame Weise um persönliche Haltungen und Herausforderungen im Kontext des Bauens.

Iterative Entwurfsprozesse und wichtige Entscheidungen auf der Baustelle werden ebenso thematisiert, wie historisch-biografische Hintergründe der Entstehung des GSW-Hauses und die Freude über die Unterstützung beim Protest gegen dessen Umbau. Es kommen Irrtümer und Erkenntnisse aus dem, als ökologischer Demonstrationsbau konzipierten Umweltbundesamt in Dessau zur Sprache. Außerdem geht es um die latenten Qualitäten des Bestands sowie die Überreaktion der 68er-Generation auf das Erbe ihrer Väter, das Glück, mit wertschätzenden Bauherren zu arbeiten und die Euphorie angesichts fortschreitender Realisierung von Projekten. Ein Blick auf das eigene Werk, die Rolle als „Pionier der Klimaarchitektur“ und die enorme persönliche Energie, die in der Arbeit von Architekt*innen steckt, machen den thematischen Rundumschlag perfekt.

„Frisch an die Arbeit“: zeit.de

Zwischentöne

Bei der Reihe „Zwischentöne. Musik und Fragen zur Person“ des Deutschlandfunks handelt es sich um ein klassisches Format. Mit jeweils einem Gast aus Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft folgt man hier einem anderthalbstündigen entspannt-niveauvollen Interview. Eine zusätzliche Ebene entsteht durch die mitgebrachte Musikauswahl. Im Gespräch das Raoul Mörchen im Oktober 2022 mit dem Berliner Architekten Volker Staab, Staab Architekten, führte, illustrieren die Stücke nicht nur persönliche musikalische Vorlieben, sondern verdeutlichen auch seine architektonischen Auffassungen.

Staab vergleicht den durchgehenden Rhythmus, der ein Musikstück zusammenhält mit der spürbaren inneren Konzeption eines Gebäudes. Er beantwortet die Frage nach der „guten Zahl“ in Musikstück und Bau am Beispiel von Arvo Pärts „Te deum“. Er spricht über die Verbindung von komplexer Ordnung und emotionaler Wirkung in der Musik Johann Sebastian Bachs. Und der Architekt erläutert den Zusammenhang zwischen Raumerlebnis und Akustik am Beispiel des Kölner Doms sowie des kurz zuvor eröffneten „Casals Forums“ der Kronberg Academy, dessen Eröffnung Staab folgerichtig als eine Art Uraufführung beschreibt.

Ansonsten geht es mit Blick auf Staabs Werk viel um Museumsbau, um die physische Präsenz von Gebäuden, Kontextualisierung im stadträumlichen Gefüge, den Anspruch, sich nicht aus dem stilistischen Repertoire zu bedienen, sondern aus Vorgaben und Gegenbenheiten immer wieder etwas ganz eigenes zu entwickeln. Aber auch um das Glück beim ersten noch im Alleingang gewonnenen Wettbewerb für das Neue Museum in Nürnberg und darum, dass man jungen Architekten viel mehr zutrauen sollte.

Podcast „Zwischentöne. Musik und Fragen zur Person“: deutschlandfunk.de

Text und Auswahl: Ulrike Alber-Vorbeck

Zum Thema:

Eine Podcast-Folge mit Firat Ertegi, Experte für Computational Design und BIM-Management bei Staab Architekten, gibt es bei baunetz CAMPUS.

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