Am 14. März eröffnet im Berliner Haus der Kulturen der Welt die umfangreiche Ausstellung bauhaus imaginista. Sie widmet sich den vielen internationalen Verästelungen der Schule. Die beiden Kuratoren Marion von Osten und Grant Watson schlagen dabei eine neue Lesart des Bauhauses vor – als globalen Resonanzraum und kosmopolitisches Projekt. Ein Gespräch mit Marion von Osten.
Frau von Osten, das 100-jährige Jubiläum der Bauhaus-Gründung wird häufig aus der Perspektive gefeiert, welch einen großen Einfluss die Schule international entfalten konnte. Diesen Blick verfolgt Ihr Forschungs- und Ausstellungsprojekt bauhaus imaginista nicht. Sondern?
Das stimmt, wir zeigen in bauhaus imaginista eher ein Weltwerden des Bauhauses, in dem wir pädagogische Ansätze, gestalterische Praktiken und Methoden in den Kontext zeitgleicher Avantgarden außerhalb Deutschlands stellen, mit denen seine Lehrenden und Studierenden im regen Austausch standen. In dem wir den nationalen Rahmen verlassen und das Bauhaus dezentrieren, schlagen wir vor, die Moderne als ein kosmopolitisches Projekt zu verstehen, das durch transkulturellen Austausch entstanden ist und aufgrund dieses Dialogs bis heute weiterwirkt.
Aber auch das historische Bauhaus war seit seinen Anfängen bereits eine international ausgerichtete Schule und heterogen. Studierende und Lehrende kamen aus verschiedenen Teilen Europas und Asiens, um hier zu lernen oder zu lehren und brachten ganz unterschiedliche Ideen mit. Und dieser experimentelle, hybride Charakter der Moderne war auch für das Bauhaus maßgeblich für seine eigene Entwicklung war. Die Schule in Weimar und in Dessau integrierte sozialistische und kommunistische Ideen, die britische Arts-and-Crafts-Bewegung und die europäische Reformpädagogikbewegung, aber auch spiritualistische und esoterische Ansätze. Bauhäusler*innen unterhielten dauerhaft Verbindungen zum russischen Konstruktivismus und der niederländischen Bewegung De Stijl oder beteiligten sich an den internationalen Kongressen für Architektur (CIAM) und bewunderten Rabindranath Tagore.
Zeitgleich mit der Entstehung des Bauhauses 1919 gründete der indische Dichter Rabindranath Tagore in Kalkutta eine experimentelle Schule für Gestaltung. Es gab personelle und inhaltliche Verbindungen zum Bauhaus. Wie erklären Sie sich die Verknüpfung mit ganz anderen Teilen der Erde?
Tagore war im nachrevolutionären Deutschland eine echte Berühmtheit. Seine Vorträge und Lesungen wurden von Intellektuellen und Kulturschaffenden besucht, da auch er eine radikale Wende in der Kunstausbildung und Kunstproduktion forderte. Johannes Itten hatte bekanntlich ein starkes Interesse an asiatischer Kunst, und in seiner Berliner Schule wurde dieses berücksichtigt und etwa Kaligraphie von chinesischen und auch japanischen Künstlern unterrichtet. Itten verehrte Tagore. Durch seinen Kontakt zur österreichischen Kunsthistorikerin Stella Krameritsch kam es auch zu einer Bauhaus Ausstellung in Kalkutta, in der Drucke von Bauhauslern und Arbeiten von Bengalischen KünstlerInnen gezeigt wurden.
Berlin war in den 20er Jahren ein Ort internationaler Kulturschaffender, und mit einem Blick auf die vielfältigen Migrationsgeschichten der Studierenden verstehen wir diesen weltweiten Austausch der Moderne heute viel besser als Teil einer transnationalen Bewegung. Wir schauen von ihren bewegten Geschichten aus und finden einen Ort, den man mit Partha Mitter als eine virtuelle Kosmopolis bezeichnen könnte, als einem imaginären Ort, der eine Generation über nationale Grenzen hinweg miteinander verband, egal welcher Herkunft.
Kodwo Eshun hat auf einem Ihrer Symposien in Tokio seinen Vortrag damit eingeführt, bei Bauhaus müsse er zuerst an die gleichnamige Dark-Wave-Band aus Großbritannien denken. So freizügig wird Bauhaus und Popkultur selten miteinander verbunden. Welches ist Ihr Verständnis vom Bauhaus, wenn es um seine Verbindung mit der Alltagskultur in Musik und Medien geht?
Das neue Kapitel Still Undead in unserer Ausstellung ist aus der Sicht einer Globalerzählung oft vernachlässigt, denn die westlichen Gessellschaften bleiben meist außen vor, wenn ein Thema „global“ angestimmt wird. Für uns war es zentral, speziell im Haus der Kulturen der Welt mit seiner eigenen Nachkriegsgeschichte, Arbeiten aus Deutschland, den USA und Großbritannien zu zeigen, also eine weitere Kontextualisierung und nächste Station, denn wir haben ja an allen anderen Orten, an denen wir 2018 zusammengearbeitet haben ebensolche Kontextualisierungen vorgenommen. Wir wollten einen anderen Echoraum thematisieren und zwar jenen einer Geschichte von Licht- und Klangexperimenten, die mit Kurt Schwerdtfegers Reflektorischem Farblichtspiel auf einem Bauhaus-Fest 1922 ihren Anfang nahm.
In den 1940er Jahren entwickelten László Moholy-Nagy am New Bauhaus (später Institute of Design am Illinois Institute of Technology, IIT) in Chicago und György Kepes am Massachusetts Institute of Technology (MIT) diese Experimente weiter bis in die digitale Kultur hinein, bis sie die Grenzen der Wissenschaft überschritten und nicht nur am Leeds College of Art in Großbritannien mit elektronischer Musik in die Welt der Populärkultur eingingen. Die Band Bauhaus ist mit der Rezeption des Bauhauses nicht nur wegen der Namensgleichheit in Verbindung zu bringen, denn just zu dem Zeitpunkt, an dem in der allgemeinen Stimmung postmoderner Architektur die Moderne verabschiedet werden sollte, greifen Jugendkulturen das Konstruierte und Künstliche der Moderne wieder auf. Hier sind es wieder die Fotografien und Arbeiten von Studierenden jenseits des Lehrplans, die dieses coole Bauhausbild weiterleben lassen – nun als Kritik am Fortschritt. Still Undead zeigt damit auch, wie eine gegenkulturelle Produktion institutionelle Strukturen einerseits überschreiten konnte, um andererseits in sie integriert zu werden. Die Ausstellung diskutiert damit auch die Verschränkung von künstlerischem Überschuss, Hedonismus, Mikropolitik, Selbstinszenierung und Vermarktung und stellt die Frage, wie sich unter den Bedingungen einer neoliberalen Wirtschaftsordnung eine Re-Politisierung von Kunst, Technik und Populärkultur denken lässt.
Die Fragen stellte Sophie Jung.
bauhaus imaginista
Eröffnung: Donnerstag, 14. März 2019, 19 Uhr
Ausstellung: 15. März bis 10. Juni 2019
Öffnungszeiten: Mittwoch – Montag, 11–19Uhr
Ort: Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog:
bauhaus imaginista
Die globale Rezeption bis heute
Hrsg. von Marion von Osten und Grant Watson
Scheidegger & Spiess, Zürich 2019
312 Seiten, 193 farbige und 13 Schwarz-Weiß-Abbildungen
24 x 30.5 cm
ISBN 978-3-85881-623-8
58 Euro
Auf Karte zeigen:
Google Maps