Die Billiglohnstrategie ging auf: 1868 gründete der Amerikaner Florentine Ariosto Jones in der Schweizer Grenzstadt Schaffhausen die IWC (Internationale Watch Company) – weil damals die Arbeitskräfte im Alpenland so günstig waren. Sechs Jahre später errichtete die Firma dort ihre erste Fabrik, auf deren Bau zwei Standorterweiterungen folgten. In diesem Jahr – die Schweiz ist bekanntlich längst kein Billiglohnland mehr – eröffnete der Luxusuhrenhersteller eine Manufaktur mit Besucherzentrum im acht Kilometer entfernten Merishausertal. ATP architekten ingenieure (Zürich) planten den pavillonartigen Neubau, für den sie sich unverkennbar an einer noblen Spielart der klassischen Moderne orientierten.
Der zweigeschossige 139 Meter lange Flachbau schiebt sich in einen bewachsenen Geländevorsprung am Ende eines Gewerbegebiets. Seine weißen Auskragungen mit Alucobondverkleidung, seine nur zierenden, bis zur Spiegelung polierten Edelstahlpfosten und die Glasfassade setzen den eigentlichen Industriebau als edel manieriert von Landschaft und umliegender Bebauung ab.
Innen sind in den Produktionsbahnen die Fertigung von Werkteilen, Manufakturwerken und Gehäusen nun an einem Standort zusammengeführt. Die Raumabfolge orientiert sich an den Produktionsprozessen. In großen hellen Hallen befinden sich die Arbeitsplätze. Jeder Arbeitsschritt benötigt unterschiedliche Raumanforderungen – von der offenen Produktion über chemische Galvanikprozesse bis hin zum Reinraum.
Trotz fester Fertigungsabläufe planten die Architekten ein flexibel gestaltbares Raumprogramm: Basis ist eine Produktionshalle mit einem durchgehenden Konstruktionsraster von 13,50 mal 13,50 Metern und Nebenträgern mit einem Abstand von 2,25 Metern,.Sie kann flexibel eingeteilt werden. Die Fassade und der Innenausbau wurden konsequent auf einem Raster von 1,5 mal 1,5 Metern geplant, das sich auch außen an den schmalen Fensterbahnen abbildet.
Im Obergeschoss befinden sich eine Kantine, der Showroom und eine Dachterrasse. Vom Showroom aus können die Besucher durch eine Glaswand hinunter auf die Produktionshalle schauen und live mitverfolgen, wie die vermutlich sehr gut bezahlten Facharbeiter die Luxusuhren Schritt für Schritt herstellen. (eb)
Fotos: Thomas Jantscher
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denkste | 25.11.2018 14:02 UhrATP
geplant bis ins Detail.
was aus meiner Sicht nicht stimmt:
1. die funktionslosen Edelstahlstützen. ohne dies wäre das Gebäude eleganter.
2. Der Übergang des Vordaches an die Glasfassade des Foyers. Auch wenn das Vordach im Inneren seine Fortsetzung findet, schmerzt dieses wichtige Detail.