Viele Biennalen und Festivals haben ihre 2020er-Ausgabe verschoben, doch wem, wenn nicht der Manifesta unter Direktorin Hedwig Fijen konnte es gelingen, trotz widriger Umstände zu eröffnen? Schließlich ist der Wanderbiennale schon qua Format eine große Flexibilität eingeschrieben. Alle zwei Jahre müssen sich die Macher*innen auf eine vollkommen neue Umgebung einlassen. Seit einigen Wochen läuft also tatsächlich die aktuelle Ausgabe in Marseille, nachdem die Manifesta 2018 in Palermo gastierte. An diesem Wochenende folgen mit Opening#3 weitere Orte, und ab 9. Oktober ist dann bis zum 29. November 2020 unter dem Titel „Traits d’union.s“ das gesamte Hauptprogramm zu sehen.
Traits d’union, das bedeutet Bindestrich, wobei die Manifesta unter der künstlerischen Leitung von Alya Sebti, Katerina Chuchalina und Stefan Kalmár noch ein „s“ hinzufügt und damit sogar von Bindestrichen spricht. Die stünden für die immer neuen Verbindungen, die sich in der ewig unfertigen Transitstadt Marseille ergeben. Themen wie die anhaltende Frage nach menschenwürdigem Wohnraum werden ebenso angesprochen wie die Bedeutung von Zufluchtsorten, Identitäten oder historischen Narrativen. Wie bei jeder Manifesta stehen neben den Menschen ebenso der Stadtraum und natürlich einzelne Gebäude im Fokus. Verschiedene ergänzende Programme wie beispielsweise „Les Parallèles du Sud“ erstrecken sich außerdem über die gesamte Region.
Dass angesichts der aktuellen Corona-Situation in Frankreichs Süden nur wenig internationale Besucher nach Marseille kommen werden, ist zwar bedauernswert, aber für den Erfolg der Ausstellung nicht unbedingt entscheidend. Schließlich leben im Großraum Marseille allein über 3,5 Millionen Menschen, und auch das Hinterland ist besiedelt. Neben dem künstlerischen Programm bietet die Manifesta zugleich viele Zugänge, die sich explizit an das lokale Publikum richten.
Wie schon in Palermo bildete auch in Marseille eine umfangreiche urbanistische Studie Grundlage des Ausstellungsprogramms. Erarbeitet wurde sie von MVRDV und Winy Maas, seit Ende August liegt „Le Grand Puzzle“ nun auch in gedruckter Fassung vor. In Zusammenarbeit mit Joke Quintens und Tarik Ghezali entstand außerdem das Begleitprogramm „Le Tour de Tous les Possibles“, das über das gesamte Jahr hinweg Akteure vor Ort versammelt. Aus diesen Bemühungen könnte, so die Hoffnung der Initiatoren, eine neue Form von Bürgerparlament hervorgehen, das die gerade erst ins Amt gewählte, grüne Bürgermeisterin Michèle Rubirola bei ihrer Arbeit unterstützt. (sb)
Opening#3: 25.–27. September 2020
Opening#4: 9.–11. Oktober 2020
Hauptausstellung: 28. August bis 29. November 2020
Orte: Marseille und Umgebung
www.manifesta13.org
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