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10.05.2011

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Wärmedämmung versus Schönheit

Mäckler und Palmer diskutierten in Berlin


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Die beiden Protagonisten waren als Antipoden angekündigt worden: Hier der Architekt Christoph Mäckler, der mit seiner Düsseldorfer „Konferenz der Schönheit“ als kompromissloser Streiter wider die Wärmedämmverpackung unserer Häuser hervorgetreten war, und da der grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, ein smarter Redner, der zuletzt bei der Stuttgart 21-Schlichtung aufgefallen ist. Er wolle alle historischen Häuser in der Tübinger Innenstadt verpacken, ästhetische Mängel nehme er dabei als Kollateralschäden hin – schließlich sei der Klimawandel nun mal unästhetisch.

So etwa hatte der Veranstalter, die Bundesstiftung Baukultur, die beiden Redner gegeneinander positioniert. Doch gestern Abend im Berliner DAZ haben sich beide zurückgenommen und zunächst einmal ihre Gemeinsamkeiten hervorgehoben.

Mäckler gab sich nicht als donnernder Anwalt der Ästhetik, sondern als nachdenklicher Wissenschaftler, der mit seinem Institut an der Uni Dortmund forschend auf die unbestrittene Herausforderung des Klimawandels reagiert. Seine beiden ersten Punkte galten dann auch nicht der Schönheit, sondern der städtischen Dichte und der Dauerhaftigkeit des Bauens (den Begriff Nachhaltigkeit lehnt er ab). Hier seien die größten ökologischen Effekte erreichbar – viel mehr, als durch Fassadendämmung je einzusparen sei.

Allerdings bekam die Baustoff-Industrie durchaus ihr Fett weg: Ein bestimmtes Passivhaus-Wandsystem bezeichnete er als Sondermüll, und „unsaubere Konstruktionen wie Wärmedämmvollschutz sollten vom Gesetzgeber verboten werden“. Erst beim dritten Punkt kam er auf die Schönheit. Mit Blick auf die oft im Vorher-Nachher-Beispiel publizierten Dortmunder Siedlungshäuser an der Kronprinzenstraße, wo reich geschmückte Klinkerfassaden brachial abgeschlagen wurden, um durch Wärmedämmsysteme ersetzt zu werden, sagte er: „Wer Häuser zerstört, zerstört unser baukulturelles Erbe“, der „fördert Geschichtslosigkeit und Tristesse“.

Boris Palmer hingegen „erlaubt sich, anderer Meinung zu sein“. Er zitierte den „großen Ästheten“ Brecht mit der Feststellung, erst komme das Fressen, dann die Moral: Eine warme Wohnung sei wichtiger als eine schöne Außenfassade. Palmer relativierte aber seine früheren Äußerungen zur flächendeckenden Verpackung: Bei einem Denkmalobjekt verbiete sich WDVS von selbst. Aber bei Standardgebäuden etwa des Nachkriegswohnungsbaus sei er auf „Lösungen von der Stange“ angewiesen, auch wenn diese zugegebenermaßen „keine ästhetische Verbesserung ergeben“.

Am Schluss erklärte Palmer noch, wie es dazu gekommen ist, dass er in der Öffentlichkeit als der „baukulturfeindlichste Oberbürgermeister Deutschlands“ wahrgenommen werde. Das gründe auf ein Aufeinandertreffen bei eben jener Düsseldorfer Schönheits-Konferenz: „Mäckler hat mir da den Kollhoff vor die Nase gesetzt, und der hat mich so in Wallung gebracht, dass dabei zitierfähige Sätze herausgekommen sind, die mir seitdem immer vorgehalten werden“. Entspanntes Gelächter im Publikum, und das Saallicht ging wieder an.  (-tze)


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

10

Peter | 13.05.2011 11:40 Uhr

wir denken einfach zu "kariert"

Es gibt so viele Negatvbeispiele für nachträglche WDVS.
Leider endet bei vielen der Begriff "energetische Sanierung" darin, Wärmedämmung auf eine Hauswand zu kleben.

Wo bleibt der ökologische Sinn, auf eine Wand eines Gebäudes, welches noch 30 Jahre wirtschaftliche Nutzungsdauer hat, Energie für 50 Jahre in Form eines WDVS aufzukleben?

Im Altbaubereich gibt es oftmals ökologischere und wirtschaftlichere Lösungen.

Wir sollten gewiss nicht alle, sondern einen guten Teil unserer Bauten als Kulturgut sehen und auch so behandeln.
Ich meine damt nicht, einfach nichts zu machen, sondern mit Konzept, mit Ideen etc. jeweisl auf das betreffende Gebäude.

Schliesslich könnte man bei richtiger Herangehensweise ja vielleicht auch eine ästhetische bzw. kulturelle Verbesserung erreichen?

Ansonsten bin ich mir absolut sicher, dass wir auch an diesem Punkt einfach viel zu "klein" denken.

9

noch ne preisfrage | 12.05.2011 17:55 Uhr

@rauke rübenstrauch

Wer im Glashaus sitzt: Die Aufforderung "auch mal im winter einen wärmeren pulli anzuziehen" ist dann wohl das Ideologischste, was ich bisher zu diesem Thema hier lesen konnte. (Warum muss ich da nochmal an Herrn Sarrazin denken?) Solche "Thesen" gehen doch völlig an der menschlichen Lebenswirklichkeit vorbei. Als ob wir unsere Energieprobleme dadurch lösen könnten, dass wir auf die Vernunft der Leute hoffen, die Armen zu sparsamerem Verhalten "erziehen" oder als ganze Gesellschaft wieder zu einer Art Status quo ante zurückkehren, wo man noch bei trübem Kerzenschein warm eingepackt vorm Kamin saß. Müssen wir im Winter Südfrüchte essen? Müssen wir wirklich zur Selbstfindung nach Indien fliegen, um im Himalaya zu trekken? Keine Ahnung, aber ich bin sicher, dass unsere Welt eine andere wäre, wenn wir all dies nicht tun könnten oder dürften. Und ich weiß, sie würde mir weniger gefallen. Neue Bescheidenheit und Globalisierungsskepsis schön und gut, aber das ist letztlich ziemlich unsexy. Mit Speck fängt man Mäuse! Veränderungen werden gerade dann schnell akzeptiert, wenn sie subjektiv als Verbesserung wahrgenommen werden, erschwinglich sind und/oder das Festhalten an Gewohntem Nachteile hat. Der "gewünschte Komfort" wird immer der Maximale sein, den ich mir mit meinem Budget leisten kann. Freiwillige "Abstriche" an dem was möglich wäre, wird niemand so ohne weiteres schlucken. Das ist mit Sicherheit kein Vorschlag, den ich als Architekt mit meinen Bauherren diskutieren möchte. Wer bin ich, dass ich von anderen Enthaltsamkeit fordere, ganz zu schweigen davon, dass ich sie diktiere? "die lösung des energieproblems liegt hauptsächlich beim nutzerverhalten" ist mit Verlaub zu kurz gedacht und wohl nur der Versuch, den schwarzen Peter auf andere zu schieben. Wenn es dann auch noch egal ist, ob man "kunststoff als dämmung nimmt oder ein vermeintliches "öko"-produkt", dann hat man endgültig alles zur Belanglosigkeit relativiert. Wenn eh alles nur noch "vermeintlich" ist, dann braucht man sich doch im Grunde keinen Kopf mehr zu machen, oder?! Nur weil einige Bilanzierungen fehlerhaft, ungenau oder interessengeleitet sind, heißt dass doch nicht, dass man nicht mehr darüber nachdenken muss, wie beim jetzigen Stand der Informationen das "beste" (sprich nachhaltigste und verträglichste) Ergebnis erzielt werden kann. Ob dann dabei rauskommt, dass der ökologischste Dämmstoff aus recycelten Plastiktüten oder aus Pilzkulturen besteht, ist allerdings in der Tat wurscht. (Ebenso wurscht wie die Frage, ob schöne Häuser „teutonisch“ aus Stein sind oder aussehen wie eine Raumschiffvision der 60er Jahre.) "Kunststoff versus -vermeintlich- Öko" ist jedenfalls ein Scheingefecht und eine Nebelkerze. Solange es für den einzelnen Vorteile hat, im Passivhaus auf dem Land zu wohnen und zum Arbeiten mit dem SUV in die Stadt zu pendeln, wird er keinen Grund haben, an dieser Situation etwas zu ändern. Wer Verhalten ändern will, muss die Welt verändern, alternative Angebote machen, Neues entdecken. Die Steinzeit ging nicht zu Ende, weil den Menschen die Steine ausgingen, sondern, weil Eisen viel cooler ist.

8

rauke rübenstrauch | 12.05.2011 12:18 Uhr

worüber reden wir hier?

die diskussion geht doch in eine völlig falsche richtung. es ist doch absolut uninteressant und rein ideologisch gedacht, ob man einen kunststoff als dämmung nimmt oder ein vermeintliches "öko"-produkt (wir kennen die katastrophalen bilanzierungen aus anderen bereichen...). die lösung des energieproblems liegt hauptsächlich beim nutzerverhalten, in der städtischen dichte und bei der frage des gewünschten comforts.

es gab einen klugen SZ-artikel dazu letztens, indem zB die frage aufgeworfen wurde, wieso wir alle räume immer schön auf 21 grad heizen sollten, statt auch mal im winter einen wärmeren pulli anzuziehen. die sache mit dem passivhaus weit draussen vor der stadt und dem täglichen arbeitsweg per SUV ist ebenfalls bekannt...

7

Preisfrage | 12.05.2011 09:19 Uhr

Juppis und Architekten?

Der "Chemokram" auf der Fassade ist doch nicht aus Überzeugung die "erste" Wahl eines Planers. Der hat darauf meist einen verschwindend kleinen Einfluss. Das regelt sich bisher ganz allein über den Preis, den der Bauherr bereit ist, für eine leistungsfähige Dämmung zu zahlen, die er nun mal nicht ansehen muss und deren Wiederverwertung in 50 oder 100 Jahren ihm im Zweifel völlig egal ist. Solange recyclefähige Dämmstoffe aus nachwachsenden oder ökologisch unbedenklichen Rohstoffen wesentlich teurer sind, als die "klassischen" ölbasierten Chemieprodukte, wird man nur einen bestimmten (kleinen) Prozentsatz der finanzkräftigen Bauherren von teureren nachhaltigen Produkten überzeugen können. Im Zweifel eben genau jene Yuppies, die hier mal wieder mit schönem deutschen Sozialneid als der ideologische Feind ausgemacht werden. (Umgekehrt wird doch ein Schuh daraus: Die erfolgreichen Yuppies leisten sich mit viel höherer Wahrscheinlichkeit das gute Gewissen nachhaltigen Bauens. Ohne die gäbe es doch den ganzen Öko-Boom garnicht.) Der konstruierte kausale Zusammenhang mit hochwertiger Innenraumgestaltung und "billiger" Dämmung ist ebenfalls scheinheilig. Gerade als Architekt kann ich völlig nachvollziehen, das man als Bauherr sein gutes Geld auch in Funktionalität und ansprechender Ästhetik investiert "sehen" möchte, statt sich nur ein gutes Gefühl zu erkaufen, weil man ökologischen Dämmstoff verwendet hat. Diese 80er-Jahre Müsli-Ideologie, wonach Öko auch zwingend nach Öko aussehen und "riechen" muss und nicht so "cool" sein darf wie "Raumschiff Enterprise", ist doch längst überholt. Die zahlenden Auftraggeber gewinnt man doch schon heute nicht mehr nur allein über das gute Gewissen. Glaubt man den Zukunftsforschern, wird sich nachhaltiges Denken "from cradle to cradle" als Trend langfristig ohnehin durchsetzen (schon allein weil, die Ölresourcen knapper werden, was zwangsläufig nachhaltige Produkte auch im Preis fallen lässt.) Insofern wird man dann noch mehr mit anderen Faktoren punkten müssen: Coolness, Stylishness, gutes Design, hohe Funktionalität, Ästhetik), also genau mit guter Gestaltung, wofür man als Architekt eben besser qualifiziert ist, als ein reiner Ingenieur. Der Architekt kann beim Bauherren für eine teurere Lösung meist nur vergeblich werben, wenn dieser keinen sichtbaren Mehrwert erkennen kann. Der Mehrwert, für den ich verantwortlich zeichnen kann, liegt in der architektonischen Qualität. Alle anderen "Weltverbesserungsaspekte" müssen der Markt und die Politiker bearbeiten. Meinen Einfluss darauf schätze ich tatsächlich ziemlich gering ein.

6

superstar | 11.05.2011 18:11 Uhr

theresa

liebe theresa, lieber uwe,

ist doch ganz klar das wir die häuser nur noch in polysterol einpacken müssen, wenn wir nur noch darüber nachdenken, wie wir möglichst teuer 300 m² wohnungen für alleistehende juppis in baugruppen bauen oder ausbauen, die dann aussehen wie auf raumschiff enterprise, möglichst an nichts sparen und mit technik vollstopfen aber dann den letzten dreck an die fassade kleben, den kann man dann schön mit holzlatten verkleiden oder besser mit eternitplatten, das sieht auch sehr schön aus. nur was, wenn der ganze sondermüll dann wieder runter muss und wohin damit und die konstruktionen darunter, die fünktionieren doch nur mit dem chemokram davor... schade das die architekten aber auch die politiker sich von der industrie so vergaukeln lassen, es lebe das mittelmaß. oh was ich noch vergessen habe, dreifachfenster sind auch ganz wichtig, bitte alle fenster austauschen!

5

Uwe Völcker | 11.05.2011 10:41 Uhr

Theresa und die Teutonen

Liebe Theresa, leider war ich nicht dabei, aber ich hätte einen nachhaltigen Vorschlag:
Warum dämmen wir die Häuser nicht von innen? Wegen der Bauphysik brauchen wir uns nicht zu sorgen, denn der Luftwechsel wird bald sowieso nur noch technisch realisierbar sein, mit Wärmerückgewinnung und allen Schikanen. Und wenn die Klimaanlage kaputt ist, können wir die ganze Chemie innen an die Wand schmieren, die wir draußen eingespart haben. Geheizt wird nur die Innenluft, nicht der Bau. Das spart nochmal Energie. Dafür machen wir dann teutonische Blockstein- oder Klinkerfassaden aus Zeug, was wirklich was taugt und ewig hält - ich liebe das Deutsche!

4

Peter Joehnk | 10.05.2011 16:47 Uhr

lauwarme Pseudowissenschaft

Herr Palmer hat mir mit seinem Impulsreferat gut gefallen, weil er versuchte zu polarisieren.
Danach kam ein Prof. Mäckler, der vom Blatt ablas und ein indiskutabel schlechtes Beispiel einer Wärmedämmaßnahme vorstellte (an der - hoffentlich - kein Architekt beteiligt war) um damit ein krankes System bloß zu stellen ... das ist jedoch völlig verunglückt.
Die Podiumsrunde war dann tatsächlich so entspannt, dass ich vor dem Ende der Veranstaltung völlig entspannt gegangen bin und mich eigentlich nur gefragt habe, weshalb ich für diese Veranstaltung extra von Hamburg nach Berlin gefahren bin.
Peter Joehnk

3

Theresa Keilhacker | 10.05.2011 16:09 Uhr

Professoren-Titel entziehen

Christoph Mäckler sollte man wirklich den Professoren-Titel entziehen, bei so viel fachlichem Quatsch, den er erzählt. Er ist nunmal kein “nachdenklicher Wissenschaftler”, sondern eher ein Ideologe des teutonischen Steinformats. Spätestens in der Realität knickt er dann vor den Investoren ein, die er vorher beschimpft (siehe Zoo-Fenster...).

Der Begriff Nachhaltigkeit wird zutreffend definiert durch die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziale Belange, den braucht Herr Mäckler nun wirklich nicht verschlimmbessern. Architekten sollten sich endlich den vielfältigen Aufgaben Nachhaltigen Planes und Bauens widmen und nicht auf billige Polemik „Wärmedämmung versus Schönheit“ hereinfallen. Das hat die Stadtplanerin Franziska Eichstädt-Bohlig aus dem Publikum wunderbar mit ihrem kritischen Einwand auf den Punkt gebracht.

Es braucht eben Architekten, die schön und nachhaltig planen und bauen können! Und wenn sie nicht wissen, wie das geht sollten sie sich fortbilden und sich Fachberater wie z.B. den unerwähnt gebliebenen Podiumsredner Matthias Schuler ins Boot holen.

Aber sich darüber beklagen, dass Investoren keine 60 cm dicke Ziegelwand akzeptieren und Bilder von schlecht sanierten geklinkerten Eingangsportalen zu zeigen, ist wirklich unterstes Niveau heutiger Standards beim Nachhaltigen Planen und Bauen.

2

staubmeier | 10.05.2011 15:58 Uhr

vor-build

alles bauen ist wärme(kälte)-, regen sowie lärmschutz.
gut ist, was von dauer ist.
wieso die künstliche aufregung?
fehlplanungen bestraft das leben.
es war noch nie einfach, mehrheiten vor unheil zu bewahren. tue gutes und rede dann darüber. sei ein vor-build.

1

martin s | 10.05.2011 15:46 Uhr

...

Und nun? Scheint ergebnislos gewesen zu sein, jeder hat sich in seinen Argumenten gesonnt und die Baustoffindustrie diktiert weiterhin der Bundesregierung, was in der neuen EnEV-Fassung für U-Werte zu stehen haben.....

 
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