Diesen Freitag wird Eröffnung gefeiert: Der Umbau des Lutherarchivs Eisleben ist fertiggestellt. Vorne ein historischer Altbau, zeigt sich erst auf der Gartenseite der Neubau mit dem heruntergezogenen Satteldach und seiner hellen Kalksandsteinfassade. „Ein neues Ganzes“ nennt das Leipziger Büro Atelier ST seinen Entwurf, mit dem es dem denkmalgeschützten, jahrzehntelang leerstehendem Bestand begegnet ist. Alt- und Neubau überlagern sich zu einem neuen Ensemble, das die Qualitäten beider Charaktere klug zu verbinden versucht.
Zwei Auftraggeber, viele Meinungen: Während sich die Stiftung Luthergedenkstätten einen Neubau für Archiv- und Veranstaltungsräume wünschte, plädierte die Denkmalpflege für den Erhalt des bestehenden Hauses, das in Nachbarschaft zum Geburtshaus Martin Luthers und der Taufkirche steht. Das Architektenpaar Silvia Schellenberg-Thaut und Sebastian Thaut konnte mit seinem Entwurfskonzept beide Parteien überzeugen und sogar versöhnen. 2012 gewann Atelier ST den Wettbewerb für die Umgestaltung der Seminarstraße 2 in der Lutherstadt Eisleben.
Mit der Devise „form follows history“ folgten die Architekten konsequent den Vorgaben von Ort und Bestand, wobei der Altbau komplett entkernt und der Neubau als homogener Stahlbetonbau konstruiert wurde. Beide Schichten formen zusammen eine Art Haus im Haus. Angelehnt an die historische Dachneigung bildet die gartenseitige Dachform dabei eine Referenz an die tiefgezogenen Steildächer in Eisleben – auf diese Weise wollen die Architekten zwischen Bestand und Neubau vermitteln. Die historische Fassade zur Straßenseite hin wurde rückgebaut und die von Putz und Mörtel freigelegten Ziegel mit einer Sumpfkalkschlämme versiegelt.
Die Besucher betreten das Lutherarchiv über die Gartenseite und sollen im Inneren von einem zweigeschossigen Foyer, von dem eine freie Treppe in das obere Geschoss mit der Bibliothek und den Depoträumen führt, überrascht werden. Die nackten Betonwände und die hellen Sichtestrichböden dürften einen deutlichen Hinweis auf das Datum des Neubaus liefern. Das Lutherarchiv von Atelier ST schließt damit passend an den Umbau von Luthers Geburtshaus durch das Berliner Büro Springer Architekten und die Erweiterung von Luthers Sterbehaus durch das Stuttgarter Studio VON M an. (jk)
Fotos: © Simon Menges
Zum Thema:
Die Parabel zum Bau des Lutherarchivs und andere Geschichten von Atelier ST lesen Sie in dem Buch Architektur und Du
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Jakob | 08.04.2016 14:18 Uhrfindet
Das "Weiße Haus" von Olgiati hat fürs Äußere offensichtlich Pate gestanden. OK. Ganz schön. Und konzeptionell klar. Aber zu welchem Preis?
Ein recht brutaler Umgang mit dem Bestand - vom Inneren ist nichts altes mehr übrig. Das ist ja ein kompletter Betonneubau mit vorgestellter Bestandsfassade. (Quasi wie beim Stadtschloss in Berlin.)
Die neuen Fenster (ohne Kreuz und mit Betongewände) verzerren den ursprünglichen Eindruck schon sehr - wenn das jetzt bei allen Altbauten in Eisleben so gemacht würde, wär von der "Lutherstadt" nicht mehr viel übrig.
Muss man denn immer so eitel den Altbauten seinen eigenen Stempel aufdrücken!?