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07.02.2022
Holzbüros für den Bundestag in Berlin
Luisenblock von Sauerbruch Hutton
Als das Bürohaus Luisenblock im Berliner Regierungsviertel Ende Dezember 2021 an seinen Nutzer, den Deutschen Bundestag, übergeben wurde, konnte man vielerorts Staunen und Erleichterung vernehmen. Und die Süddeutsche Zeitung schrieb sogar von einem Traditionsbruch: „Zum Beispiel wurden die Kosten von 70 Millionen Euro eingehalten, was eine unerhörte Anomalie in der Berliner Bautradition markiert. Der Termin der Fertigstellung nach nur 20 Monaten Planungs- und Bauzeit, jetzt wird es endgültig magisch, wurde sogar um vier Wochen unterschritten. Vier Wochen weniger statt Minimum vier Jahre mehr – wie es eigentlich Sitte ist in Berlin.“
Der siebengeschossige Neubau bietet auf 9.200 Quadratmetern Nutzfläche 400 Büroräume für die Abgeordneten im Bundestag. Dieser zählt gesetzlich 598 Abgeordnete, doch durch die Überhangmandate wächst er seit Jahren bei jeder Wahl – derzeit sind es 736. Weil alle Wahlrechtsreformen keine Mehrheiten gefunden hatten, gab es 2019 nur eine Lösung: Mehr Büroflächen. Im ausgeschriebenen zweistufigen VgV-Verfahren war klar, dass der Neubau nur in Modulbauweise errichtet werden kann; denn das Haus sollte bereits zur neuen, 20. Legislaturperiode bezugsfertig sein.
Im Mai 2020 erhielt die Bietergemeinschaft aus dem Projektentwickler Primus developments, dem Holzbauspezialisten Kaufmann Bausysteme und den Berliner Architekten Sauerbruch Hutton den Zuschlag. Ende Oktober begannen die Bauarbeiten, ab April 2021 konnten an jedem Werktag sechs in Köpenick hergestellte Module montiert werden (siehe Baunetz-Baustellenbericht im Mai 2020). Im Dezember 2021 war das gesamte Gebäude bezugsfertig. Die Gesamt-Projektzeit dauerte also, rechnet man vom ersten Prüfauftrag im September 2019, gerade einmal 27 Monate, davon 15 Monate Bauzeit. Damit ist der Luisenblock ziemlich sicher das schnellst errichtete Regierungsgebäude der Berliner Republik.
Und das holzigste: Denn die Bietergemeinschaft konnte sich im VgV-Verfahren nicht zuletzt auch mit der Idee durchsetzen, die Module aus Holz zu bauen. Einen Keller gibt es nicht, Bodenplatte und Fundamente bestehen aus Stahlbeton, ebenso die Technik- und Abstellräume im Erdgeschoss sowie die beiden Erschließungskerne. Alle Büro-, Besprechungs- und Nebenräume bestehen aus 460 Massivholzmodulen, die von Sauerbruch Hutton in zwei Riegeln angeordnet werden, verbunden durch das mittige Treppenhaus. So bezieht sich der Neubau in Höhe, Kubatur und Anordnung auf die Kammstruktur von Stephan Braunfels‘ Marie-Elisabeth-Lüders-Haus gegenüber, dessen östlichster Teil noch immer wegen eines Wasserschadens gesperrt ist.
Gleichzeitig formt das H zwei Höfe, von denen der südliche (in Richtung Braunfels) den Vorhof zum Haupteingang bildet, der nördliche ist gegen den Lärm des Stadtbahnviadukts mit einer siebengeschossigen Glaswand abgeschlossen. Diese wird von einer offenen Stahlstruktur gehalten, die auf jedem zweiten Geschoss eine Verbindungsbrücke zwischen dem östlichen und dem westlichen Flügel bietet. Der Holzanteil an allen verwendeten Materialien liegt nach Angaben von Primus bei 75 Prozent.
Von außen allerdings sieht man dem Gebäude den Holzbau nicht an. Eine Fassade aus Recycling-Aluminium dient als Witterungsschutz. Vor die Lüftungsflügel der Fenster haben Sauerbruch Hutton je zwei schmale, bedruckte Glasstreifen gehängt, die zusammen mit dem Aluminiumsilber das Gebäude leuchten lassen. Matthias Sauerbruch spricht davon, dass der Bundestag bei der Farbwahl weitgehend freie Hand ließ – solange sich die Töne nicht allzu klar einer der Parteien zuordnen ließen. Unwillkürlich drängt sich allerdings die Frage auf, wie es dann der satt rote Teppich in alle Büros und Flure geschafft hat.
Außen helfen die farbigen Streifen jedenfalls, das strenge Raster des Modulbaus zu übertönen – auch das Fugenbild der Aluminumfassade folgt nicht dem Raster der Holzmodule. Es ist Teil eines architektonischen Aufbäumens gegen die Monotonie, die sich im Modulbau rasch ergibt – und die hier auch aus dem Auftrag rührt. Da noch immer nicht klar ist, wer in die Holzbüros einzieht, wurde zunächst eine rigide Raumstruktur mit lauter Einzelbüros und Verbindungstüren installiert. Die Trennwände zwischen den Bürozellen lassen sich jedoch vollständig zugunsten einer offenen Bürolandschaft entfernen. In einigen Besprechungsräumen sieht man schon, wie viel die Innenräume dadurch gewinnen könnten. (fh)
Fotos: Jan Bitter
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