Wie baut man gegenüber vom Schlachthof? Mit dieser Frage hatten sich Lütjens Padmanabhan Architekten aus Zürich auseinander zu setzen, als sie 2014 mit der Planung für ein Mehrfamilienhaus begannen. Doch damit nicht genug. Ihr fünfgeschossiges Haus an der Herdernstrasse im Zürcher Kreis 4 liegt nicht nur gegenüber der Haupteinfahrt des Schlachthofes. Die städtebauliche Situation ist randstädtisch komplex im besten Sinne. In Sichtweite befindet sich das Letzigrund-Stadion, im Rücken liegen Schrebergärten und die letzten Ausläufer der dichten Stadtstruktur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Das Haus schließt an eine einfache Wohnhauszeile aus den Dreißigerjahren an, wie sie für Zürich typisch ist.
Die Architekten übertreiben also nicht, wenn sie von einer städtebaulichen „Bruchstelle“ und „gewissen Härte“ sprechen, mit der sie sich konfrontiert sahen. Ihre Reaktion ist unmissverständlich: „Das Gebäudevolumen betont die Isolation und die Unmöglichkeit eines nahtlosen Einfügens in das städtische Gewebe.“ Zur Straße hin bedeutet dies nicht weniger, als dass man auf den ersten flüchtigen Blick meint, ein Bürogebäude aus der Zeit der späten Moderne vor sich zu haben. Grau in Grau und kantig zeigt sich die Fassade, mit eng getakteten Fensterbändern und einer auffälligen Rustizierung aus dünnen, hinterlüfteten Glasfaserbetonplatten.
Ein zweiter Blick zeigt jedoch schnell, dass es den Architekten darum ging, der Härte des Ortes ein starkes, genuin architektonisch gedachtes Statement entgegen zu stellen. Der Fassade gaben sie einen starken Eigenwert, den sie in ihrem Projekttext als „anthropomorphen, maskenartigen Ausdruck“ beschreiben. Sie weisen auch darauf hin, dass die Plattenverkleidung „zugleich Schutz und Schmuck“ sei. Symmetrie, Erker und Behandlung des Erdgeschosses deuten in die selbe Richtung. Ehrlich und schön auch, dass die Straßenseite bei Regen fotografiert wurde... Dass hier ein durchaus traditionelles Verständnis von der Fassade als Schauseite zu Grunde liegt, erkennt man an der Rückseite des Hauses. Hier realisierten die Architekten eine einfach verputzte Hülle, die vor allem durch subtile Details wirkt.
Das Haus ist als Zweispänner organisiert. Der langgestreckte Wohn- und Essbereich aller Wohnungen öffnet sich sowohl zur Straße, als auch zur ruhigen Rückseite. Die Grundrisse sind großzügig dimensioniert. Die Materialisierung im Inneren ist edel und zugleich industriell angehaucht. Schwarzes Parkett, Sichtbetondecken sowie einzelne, exponierte Sichtbetonstützen bestimmen die Atmosphäre der weitläufigen Grundrisse. So extravagant das Haus sich zur Straße hin zeigt, so sehr schließen die Architekten mit ihren Grundrissen – die sie als eine Kombination von plan libre und traditioneller „Raumkammerordnung“ begreifen – an die Realitäten des Zürcher Immobilienmarktes an. (gh)
Fotos: Walter Mair
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a_C | 25.01.2017 12:00 UhrSelber Schuld...
Wie kann man als Architekt sein Haus so schlecht in Szene setzen lassen?
Da kommt das Gebäude in seiner Gestalt schon als sperrig und provozierend daher, aber nein, es muss natürlich auch noch an einem regengrauen Tag abgelichtet und in diesem Zustand zur Diskussion gestellt werden. So oder so ist es sicher kein Beitrag zur Verbesserung des Ansehens zeitgenössischer Architektur. Und eine kleine Frechheit, mit den Ressourcen des Bauherren so ein mediokres und uninspiriertes Gebäude zustande zu bringen, ist es auch.