Die Fragen nach bezahlbarem Wohnraum und nach kostengünstigem Neubau beschäftigt derzeit viele Architektinnen und Stadtplaner. Gefragt ist nicht nur großmaßstäblicher Wohnungsbau in Ballungszentren wie Zürich oder Kopenhagen, sondern auch bezahlbare Nachverdichtung in den suburbanen Räumen ringsherum, wie beispielweise in Riehen oder Princeton geschehen. So verhält es sich auch in und um Stuttgart. Mit einem wie sie selber sagen kleinen, radikalen Projekt versucht das Architekturbüro Stocker (Remshalden) eine Antwort auf diese Frage zu geben.
Herausgekommen ist ein Minimalhaus: Roh wie Sushi, wie die Architekten sagen. Im Zentrum von Leutenbach, einem kleinen Ort bei Winnenden, eine gute halbe Autostunde nordöstlich von Stuttgart, entstand auf dem Gelände eines alten Bauernhofs – ein Teil des Bestands wurde abgebrochen und in gleicher Größe neu errichtet – das reduzierte Wohnhaus, 184 Quadratmeter groß. 337.000 Euro kostete das Projekt, ohne Ausstattung und Außenanlagen, aber inklusive Grundstück und Erschließung für 102.000 Euro sowie 42.500 Euro Planungskosten (Architekt, Tragwerksplaner etc.). Größter Posten: Konstruktion und technische Ausrüstung mit 192.500 Euro.
Das Wohnhaus, in Auftrag gegeben von einem privaten Bauherrn, einer Familie mit zwei kleinen Kindern, ist vier Etagen hoch. Herzstück ist der erste Stock mit offenen Wohnraum und Terrasse – eine ausrangierte Maschinenbühne aus dem Betrieb des Bauherrn, die um Holzboden und Stahlbrüstung ergänzt wurde.
Überhaupt setzten die Architekten beim Bau auf kostengünstige Materialien – Industrieschrott, Abbruch- und Abfallmaterialien – und vorgefertigte Elemente. So entstand der Rohbau in günstiger Betonhalbfertigbauteilweise, die markante Dachgaube in Stahlkonstruktion. Mithilfe von Blechsandwichelementen wurden große, aber günstige Fensterfronten nach Süden realisiert. Sowohl innen als auch außen blieb die Hülle unverkleidet. Auf Straßenebene, wo die Garage liegt – unverzichtbar, weil es im Stuttgarter Raum zwar viele Autos aber kaum Stellfläche gibt –, besteht die Hülle aus Schwartenbrettern – eigentlich Abfallbretter, die zu Brennholz verarbeitet werden. Der 99 Quadratmeter große Garten wird von Natursteinen aus dem Stall des abgebrochenen Bauernhauses gefasst. Rohbau gleich Ausbau, so die Devise.
Und auch innen nur das Nötigste: Stahlbetonfertigteile für Geländer und Treppen, dazu Edelstahlrohre, Zwischenwände gibt es nur im 2. Obergeschoss. Damit die Heizkosten nicht in die Höhe schießen, wurde der beheizbare Wohnraum auf die oberen drei Geschosse beschränkt. Die Grundlast trägt ein Kaminofen, den Rest eine Gasheizung. Dazu kamen, weil noch Budget vorhanden war, eine Fußbodenheizung und eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Das Minimalhaus, das für den DAM-Preis 2019 nominiert ist, soll, so hoffen die Architekten, einen Impuls liefern: Für mehr bezahlbaren Wohnraum und für die IBA 2027 in Stuttgart, die sich neben dem Thema Verkehr(-skollaps) auch mit dieser Frage wird beschäftigen müssen. (kat)
Fotos: Thomas Drexel, Florian Stocker
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woan | 12.11.2018 09:51 UhrDas ist
GUT!!