Sie kann den Urwald kaum stemmen, der auf ihr wächst. Diesen Eindruck zumindest vermitteln die Bilder der Garden Bridge, deren Bau seit circa vier Jahren in London diskutiert wird. Als rund 370 Meter langer Park auf Stützen sollte die von Studio Thomas Heatherwick und den Ingenieuren von Arup geplante Brücke zwischen Waterloo Bridge und Blackfriar’s Bridge die Themse überspannen. Gartenarchitekt Dan Pearson hatte den Entwurf mit Bäumen, Sträuchern und Beeten versehen, die Bäume sollten in den tief gezogenen Pfeilern wurzeln können. Jetzt wurde das Garden-Bridge-Projekt begraben.
Private Investoren um den ehemaligen Londoner Bürgermeister und Brexit-Wegbereiter Boris Johnson, organisiert im Garden Bridge Trust, hatten die Brücke initiiert und laut eigenen Angaben 70 Millionen Pfund zusammengetragen. Zugleich war es ihnen bis heute gelungen, über 37 Millionen Pfund Steuergeld in die Planung und Vorbereitung fließen zu lassen. Genug, sagte Londons Bürgermeister Sadiq Khan Ende April und erklärte, kein Geld aus der Stadtkasse mehr bereitstellen und auch keine Garantie für die jährlichen Unterhaltskosten geben zu wollen. Die Finanzierungslücke für die mit 200 Millionen Pfund veranschlagten Baukosten ist bis Dezember nicht mehr zu schließen. Dann aber läuft die Baugenehmigung aus. Vergangenen Dienstag hat der Garden Bridge Trust nun das Ende seiner Bemühungen verkündet. Damit gehen auch eine knapp vierjährige Debatte um private und öffentliche Interessen, ein intransparentes Wettbewerbsverfahren und Vetternwirtschaft zu Ende.
Im Vergleich mit anderen prominenten Stadtgartenprojekten wie etwa der Highline in New York hatten die Garden-Bridge-Pläne immer etwas Doppelbödiges an sich. Zu süß muteten die Renderings an, zu großzügig erschien das als Geschenk privater Investoren deklarierte Projekt. Zu verlockend wirkte seine Funktion als Imagepolierer einer Stadtpolitik, die sich eher durch Investorenfreundlichkeit als durch den Einsatz für öffentliche Interessen hervor tut. Die Brückenkritiker hatten das durchschaut. Den Initiatoren wurde unterstellt, dann doch vor allem private Interessen zu verfolgen und die Brücke für eigene Events und Merchandising-Produkte vermarkten, sie als Vehikel für geplante Immobilienprojekte an ihren Endpunkten nutzen und den Zugang kontrollieren zu wollen. Auch das intransparente Verfahren des vorgeschalteten Ideenwettbewerbs, bei dem das Desingerteam schon im Vorfeld festgestanden haben soll und als einziges der Bewerber seinen Entwurf persönlich präsentieren durfte, wurde scharf kritisiert.
Mit 37 Millionen Pfund investiertem Steuergeld in seine Planung wird die Garden Bridge als teuerstes Luftschloss der Londoner Prä-Brexit-Zeit in die Geschichte eingehen. Der Londoner Stadtverwaltung darf man zum – wenn auch späten – Rückzug nur gratulieren, den Zuständigen aller anderswo geplanten, allzu grün gerenderten Bauprojekte einen kritischen zweiten Blick, Vernunft und Weitsicht wünschen. (fm)
Zum Thema:
Baunetzwoche #475: Erhabene Oasen – Parks auf Stelzen
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Karin Domig | 17.08.2017 13:57 Uhr...ich
nehme an, London hat derzeit auch andere bzw. schwerwiegendere Probleme zu lösen, als eine Brücke zu bauen, die zwar schön und nett ist, aber m. E. funktioniert auch die scheinbare Verwurzelung über die Pfeiler nicht...
London muss die vielen leerstehenden Wohnungen, welche den Wohnungsmarkt sehr negativ beeinflussen in den Griff bekommen... und die Stadt ist von einer gesunden 'Wohnungsbandbreite' weit entfernt - sie spiegelt derzeit vielleicht deren wirtschaftliche Position in der EU wieder und 'beherbergt' Statussymbole der 'oberen Zehntausend' die unbedingt eine Wohnung in London besitzen müssen, diese aber nicht nützen... (nun, wäre der Brexit nicht gekommen, würde die Stadt vielleicht vollkommen sterben)...