„In der Stadt beschäftigst du dich mit Gebäuden, in einem Park mit Bäumen!“ – diese einfache Aussage machte Erick van Egeraat neulich bei einer Konferenz in Budapest. Doch damit stößt er auf sensibles Terrain vor. In Budapest soll in einem historischen Stadtwäldchen im großen Stil gebaut werden. Zwei Museen und eine Konzerthalle plant die Stadt darin zu errichten, Superstars der Architekturszene – Sanaa, Snøhetta oder Nieto Sobejano – arbeiten an dem städtebaulichen Projekt namens Liget mit. Doch offenbar macht sich unter den Budapestern darüber Unmut breit. Egeraat, der neben Rotterdam auch in der ungarischen Hauptstadt ein Büro betreibt, greift ihre Kritik auf und fordert „das bereits bestehende Potenzial der Stadt zu maximieren, anstatt in einem Park zu bauen!“
Dass Erick van Egeraat das Wort ergreift, hat einen Hintergrund: Schon seit der Öffnung des einstigen Ostblocks baut er in Budapest, 2008 gewann er den Wettbewerb zur Erweiterung des barocken Rathauses. Das Projekt kam jedoch wegen der Finanzkrise nicht zur Ausführung. Nun veröffentlicht Egeraat ein Redesign, das kurzerhand die beiden Museen und die Konzerthalle in seinen Rathausentwurf integriert. Warum auch nicht: Eine Verkehrsanbindung besteht bereits – ganz im Gegensatz zum gegenwärtigen Ort des Liget-Projekts – und das barocke Rathaus mit seiner zentralen Lage ist angemessen repräsentativ. Kosten können mit der Bündelung auch gespart werden.
Egeraat schlägt Folgendes vor: Den bestehenden Barockbau würde er, wie 2008 geplant, mit einem mehrflügeligen Volumen zu einem Karree mit vier Innenhöfen erweitern. Dieser neue Baukörper mit seiner markanten organischen Netzfassade, Laubengang und sphärischem Aussichtsturm würde nun mehr Nutzfläche bieten, die zudem effizienter strukturiert wäre. Eine ursprüngliche Dachterasse würde gestrichen, an ihrer Stelle soll sich der Neubau nun mit einem Satteldach dem Barockbau anschließen. Vor allem unterirdisch will Egeraat einen großen Teil der Museumsräumlichkeiten unterbringen. Die Fläche eines ganzen Innenhofes wäre nach den neuen Plänen über mehrere Geschosse unterbaut.
So sehr man Egeraat auch unterstellen kann, nach dem gescheiterten Rathausprojekt nun bei den Liget-Planungen mitmischen zu wollen, sein Vorschlag gibt interessante Denkanstöße. Kann der sorgfältige Umgang mit historisch gewachsenen Strukturen Vorrang vor dem aktuellen Profilierungsbedarf haben? Können freie Flächen auch anders wertgeschätzt werden als über ihre Bebauung? Elementare städtebauliche Fragen sind das, die sich im Zeitalter der Ereignisarchitektur praktisch in jeder Großstadt stellen. (sj)
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