Leonardo Benevolo, der Stadtplaner, Architekt und international bekannte Stadthistoriker, ist am 5. Januar 2017 im Alter von 93 Jahren gestorben.
Schon früh arbeitete Benevolo an einer Historisierung der Moderne. Seine „Geschichte der modernen Architektur“ erhielt vor allem zu Beginn der Siebzigerjahre in den USA starke Resonanz. Zu einem richtigen Bestseller wurde jedoch eine spätere Publikation, die Gerhard Matzig in einer Notiz über seinen Tod in der Süddeutschen Zeitung als „wahren Pageturner“ bezeichnet. In der „Storia della Cittá“ blickte Benevolo auf den gesellschaftlichen Entstehungsmoment einer jeden seiner historischen Beispielstädte, die er aus Europa und dem Nahen Osten auswählte. Ihre spezifische Geschichte sollte damit auch zur Grundlage für den Umgang mit ihnen in der Gegenwart werden. „Dass die Stadt etwas Lebendiges ist, das sich nicht nur wandelt und wächst, sondern wie ein Lebewesen schützt und schutzbedürftig ist, das ist wohl eine Erkenntnis, die man bis heute Benevolo zu verdanken hat“, würdigt Matzig.
Die „Storia della Cittá“ verfasste Benevolo 1975 – und markierte mit seinem kontextgebundenen Blick erfolgreich die Abkehr von einer technokratischen Stadtplanung am Reißbrett. Nach nur sechs Wochen war die erste Auflage in Italien ausverkauft, 1980 erschien sie erstmals auf Englisch, 1983 dann auch auf Deutsch. Bis heute gilt „Die Geschichte der Stadt“ als Standardwerk in der Lehre für Architektur und Stadtplanung.
Obgleich nicht viele, so hat Benevolo auch als praktizierender Architekt und Stadtplaner Spuren hinterlassen. An den Masterplänen von Bologna und Monza in den Neunzigern war er beteiligt und gemeinsam mit Thomas Jura Longo und Carlo Pomegranates entwarf er den Zentralbau der Messe Bologna. Hauptsächlich aber wirkte er in der Lehre und Theorie als Professor für Geschichte der Architektur an den Universitäten Rom, Florenz, Venedig und Palermo. Italien blieb dabei im Fokus seiner Arbeit. In einem Nachruf reiht der Correre della Serra Benevolo bei Giulio Carlo Argan, Bruno Zevi und Manfredo Tafuri ein, da auch er sich um die Definition und Systematisierung der italienischen Moderne verdient gemacht habe.
Über die Möglichkeiten und Probleme der Stadt forschte Benevolo meinungsstark bis zum Schluss. Streitlustig titelt seine letzte Veröffentlichung von 2012 „Il tracollo della urbanistica italiana“– frei ins Deutsche übersetzt: „Der Absturz der italienischen Stadtplanung“. (sj)