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14.08.2020

Ganz im Sinne Balladurs

Leclercq Associés planen Ausbau von La Grande-Motte


Schade dass Jean Balladur das nicht mehr erleben darf! Der französische Architekt, dessen Lebenswerk die Ferienstadt La Grande-Motte nahe Montpellier ist, verstarb 2002 im Alter von 78 Jahren. Bis zu diesem Zeitpunkt erfuhr er für sein Konzept nicht den Respekt, den er verdient hätte. Der Badeort wurde zumeist mit anderen Neugründungen der 1960er und 70er Jahre an den Mittelmeerküsten in einen Topf geworfen: „Retortenstadt“, „Betonwüste“, „Bettenburgen“. Inzwischen hat sich die Stimmung gedreht, jedenfalls völlig zurecht für La Grande-Motte. Es hat nicht nur unter Architektur-Touristen Kultstatus, es wurde sogar zum „nationalen Kulturerbe des 20. Jahrhunderts“ erhoben. Nun arbeitet das Pariser Büro Leclercq Associés an einer Erweiterung des Ensembles im Sinne Balladurs. 2018 hatte sich das Büro in einem Auswahlverfahren gegen COBE, 2Portzamparc und OAB aus Barcelona durchgesetzt.

Noch zu Beginn der Sechziger war die Küste des französischen Languedoc eine karge Landschaft mit Marschland und Weinbergen. Sie zog allenfalls Jäger und Mücken an, wie François Leclercq schreibt. Kein Urlauber hielt hier an, auch Franzosen fuhren lieber weiter an die blühenden spanischen Küsten. Auf Initiative von Charles de Gaulle wurden schließlich insgesamt sechs Seebäder gegründet und durch eine Küstenautobahn verbunden, um Touristen im eigenen Land zu halten.

Mit den Planungen für La Grande-Motte, für das zunächst ein großes Sumpfgebiet trockengelegt werden musste, wurde Jean Balladur von Georges Pompidou persönlich beauftragt. Ob es nun die Bewunderung des Architekten für Oscar Niemeyer war, die ihn inspirierte, eine Mexikoreise, die ihm nachgesagte Liebe zu Mensch und Natur oder von allem ein wenig – entworfen hat er eine visionäre, in großen Teilen autofreie, stark durchgrünte Stadt, die geprägt ist durch pyramidenförmige Häuser mit Ferienwohnungen und eine freudvoll ornamentale Formensprache, die mit ihren Wellenbewegungen auch vor Balkonbrüstungen, Pollern und Gehwegplatten nicht Halt macht. Gesamtkunstwerk ist immer ein großes Wort – aber nicht allzu oft kümmert sich ein Architekt um Masterplan und Gebäude, entwirft Ampeln und Trafohäuschen, legt die Höhe der Gehsteige fest und beauftragt obendrein junge Künstler mit Skulpturen für den öffentlichen Raum.

Das Büro Leclercq Associés arbeitet nun am Ausbau des Hafens und der Errichtung von 500 neuen Wohnungen für die wachsende Zahl von Familien, die dauerhaft in der Stadt leben wollen. Vorgesehen ist der Rückbau einer Werft, die Erweiterung der Anzahl an Bootsliegeplätzen und eine 1,5 Kilometer lange Promenade, die den neuen Hafen mit den bestehenden Stränden verbindet. Sie trägt den Namen „Ball*ade“, ein Wortspiel aus Balladur und Promenade.

Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen dann auch die neuen Wohngebäude vollendet sein, die anders als bei Balladur nicht als große Blöcke, sondern jeweils als Ensembles kleinerer Einheiten angelegt sind. Wie beim Bestand ist allerdings auch diesmal die Silhouette in Reaktion auf Wind, Sonnenstand und Meeresbezug entwickelt. Die künftige Bebauung schließt eine Lücke zwischen den bisherigen Teilen der Stadt, vollendet die Welle und sieht ein bisschen so aus, als wäre sie schon immer da gewesen. (kv)


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