Wenn in kleineren amerikanischen Großstädten aufwändige Kulturbauten entstehen, kommt darin oft die etwas überzogene Ambition reicher Mäzene zum Ausdruck. Nicht immer entspricht dann die dort gezeigte Kultur den hohen Erwartungen, aber man hat zumindest ein schönes Haus für das nächste Spendenevent. Gehört auch das nun von Steven Holl Architects (New York) fertiggestellte Institute for Contemporary Art in Richmond, Virginia in diese Kategorie?
Nun, in Richmond liegt die Sache etwas anders, denn die dortige Kunstfakultät VCUarts zählt zu den wichtigsten öffentlichen Instituten des Landes. Mit dem neuen ICA, das nicht der Präsentation einer Sammlung dient, sondern ausschließlich für zeitgenössische Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt werden wird, sollen die unterschiedlichen Disziplinen der Uni näher zusammenrücken und gleichzeitig der Austausch mit der längst globalisierten Kunstwelt vertieft werden – wozu auch passt, dass die VCUarts selbst seit 20 Jahren eine Dependance in Doha unterhält. Das Programm des Neubaus sieht auf 4.000 Quadratmetern flexibel nutzbare Galerieräume vor, die von einer für solche Institutionen üblichen Mischung aus Auditorium, Café, Seminarräumen und Werkstätten flankiert werden.
Die Architektur des ICA zeigt viele für Steven Holl typische Merkmale, die hier allerdings – im Sinne ihrer Pointiertheit – von den kompakten Maßen des ICA profitieren. An einer vielfrequentierten Kreuzung am Rande des Campus und am Übergang zur Innenstadt erhebt sich das Gebäude als skulpturale Komposition von kantigen und geschwungenen Flächen, die sich auf der Rückseite in eine fingerartige Ansammlung gestapelter Kisten auflöst. Das Bedürfnis nach repräsentativen Räumlichkeiten und die Anforderungen eines pragmatischen Alltagsbetriebs werden hier durchaus entspannt miteinander verbunden, ohne dass das Gefühl aufkommt, hier stehe die Metapher vor der Nutzung. Letztere gibt es natürlich trotzdem, wenn Steven Holl die Finger derart interpretiert, dass in ihnen die Multiperspektivität der Welt nach dem Ende der großen Erzählungen zum Ausdruck komme. Anfang 2012 war das Projekt erstmalig vorgestellt worden, die Umsetzung blieb schließlich nahe am ursprünglichen Entwurf.
Zur – im positiven Sinne – Bescheidenheit des Gebäudes passt übrigens auch, dass die Sponsoren des Neubaus – das Versicherungsunternehmen Markel mit Stammsitz in Richmond – keineswegs prominent zur Straße hin genannt werden, sondern lediglich dezent auf der Rückseite auftauchen. Dort befinden sich auch Café und Skulpturengarten, zu dem hin sich die Galerien im Erdgeschoss öffnen lassen – etwas Aufmerksamkeit für das Mäzenatentum dürfte also garantiert sein. Die Fassade des ICU besteht aus vorverwitterten Zinkplatten und geätztem Glas, das tagsüber fast schon opak wirkt und erst nachts für eine laternenartige Wirkung sorgt.
Neben Steven Holl war Chris McVoy als verantwortlicher Partner maßgeblich am Projekt beteiligt. Mit Richmond schreibt das Büro seine ganz eigene Tradition für Kunstbauten im universitären Kontext fort: In Glasgow, Iowa City und Princeton sind die Gebäude schon bezogen, in Pennsylvania und Houston gerade noch im Bau. (sb)
Fotos: Iwan Baan
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Architekt | 18.04.2018 15:28 UhrSchön
Klein, aber fein.