Die Bezirkshauptstadt Dali in der südchinesischen Provinz Yunnan ist bekannt für ihre drei Pagoden, deren Geschichte bis ins 10. Jahrhundert zurückreicht, die entspannte Atmosphäre der gut erhaltenen Altstadt, die heute von einen gewissen Hippie- und Backpacker-Charme geprägt ist, und nicht zuletzt für ihre Lage zwischen dem Erhai-See und den 4.000 Meter hohen Bergmassiven der Cang-Gebirgskette, einem Ausläufer des Himalayas. Die dramatische Landschaft ist auch inspirativer Ausgangspunkt für das in Peking ansässige Studio Zhu Pei. Es hat in der Stadt eine multifunktionale Großskulptur entworfen, die ein Theater, ein Café beziehungsweise eine Teestube, ein Restaurant, einen Designshop sowie Verwaltungsräume umfasst.
Hauptprotagonist des Yangliping Performing Arts Center ist die schindelgedeckte Dachkonstruktion. Die Dachtraufe mit konstanter Höhe und rechteckigem Zuschnitt ist hier der einzige Kompromiss an die Welt der Orthogonalität – vorherrschend sind frei fließende Formen, die sich im südlichen Mittelpunkt bis zum sanft ansteigenden Boden ergießen, im nördlichen Mittelpunkt zu einem asymmetrischen Hügel emporwachsen. „Wie bei Bergen und Tälern“ spiegele die Form des Daches die darunterliegende, organischere Landschaft wider und verweise „auf das alte chinesische Prinzip von Yin und Yang, bei dem sich zwei Gegensätze zu einem Ganzen verbinden“, so das Büro über seinen Entwurf.
Das Ganze ist keine formale Spielerei, sondern zugleich auf die konkreten Funktionen hin gestaltet: Im Süden bietet sich die Situation eines – semi-überdachten – Theaterhalbrundes, das wie seine griechisch-antiken Architekturvorbilder die topografische Situation ausnutzt. Zwei Treppenläufe fungieren gleichzeitig als Sitzmöglichkeiten. Drei verschachtelte Baukörper mit Fassaden aus Glas und Holzlamellen durchbrechen hier das Dach, ihre Stützen ragen demonstrativ darüber hinaus. Im Norden finden auf vier Etagen die große Bühne, kleinere Säle, Technik und Büro- sowie Aufenthaltsräume Platz. Eine kreisrunde Öffnung bietet auch im Inneren Tageslicht.
Die stählerne Konstruktion des Daches bleibt durch die unzähligen, wie beim Mikado miteinander verkeilten Holzstäbe sichtbar. Für den Hauptbau kam überwiegend Sichtbeton zum Einsatz, am Haupteingang in Kombination mit Holz. Bei einer derart konsequenten Verschränkung von Gebäude und umgebender Parklandschaft ist es nicht verwunderlich, dass auch die Landschaftsarchitektur des über 8.000 Quadratmeter fassenden Areals Studio Zhu-Pei selbst übernahmen. (stu)
Fotos: Jin Weiqi, Zhang Yao
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latimer | 10.09.2021 16:13 UhrMikado
Man bekommt immer mehr den Eindruck, dass die chinesischen Architekten uns Westlern, zumindest in Punkto experimentelle Architektur, so langsam aber sicher den Rang ablaufen.
Und auch die Ausbildungsstätten ziehen nach. Wo es bis vor kurzem oft noch chinesische Absolventen von sehr guten amerikanischen und europäischen Hochschulen waren, sind es nun immer mehr Eigengewächse, die uns mit spannender, aufregender und oft auch sehr schöner Gestaltung in Architektur und Landschaftsarchitektur begeistern.
Da mögen einige zwar noch über die Nachhaltigkeit so mancher Konstruktionen unken - tatsächlich sind wir Europäer vielleicht nur noch in Punkto Stadtplanung und Ingenieurstechnik Speerspitze.