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20.10.2023

Flexibility-Flex

Kulturzentrum von OMA in Manchester


OMA flext in Manchester mit Flexibilität. Im historischen Industriezentrum der Stadt realisierte das Rotterdamer Büro einen multifunktionalen Eventbau. Konzeptuell scheint das Team um Partnerin Ellen Van Loon aus dem Reportoire früherer OMA-Projekte geschöpft zu haben. Der Clou des Hauses ist jedoch sein maschinenartiges Innenleben.

Entstanden sind die sogenannten Aviva Studios für Factory International, dem Veranstalter des zweijährlichen Manchester International Festivals. Künftig soll hier das ganze Jahr über ein dichtes, künstlerisches Programm laufen – von Ausstellungen über Konzerte und diversen Performances bis hin zu allerlei experimentellen Formaten. Es ist vor allem die technische Ausstattung, die das möglich macht. Verantwortlich für dessen Umsetzung ist Charcoalblue (London), ein renommiertes Beratungsunternehmen für Theater-, Akustik- und Bühnendesign.

Das Gebäude besteht aus drei grundverschiedenen Baukörpern. Ins Auge fällt zunächst ein kristallin gefaltetes Volumen aus dreieckigen Metallflächen, das an einem fensterlosen Betonquader zu kleben scheint. Dahinter folgt der obligatorische Bühnenturm. Im Betonquader, der Warehouse genannt wird, befindet sich ein einziger großer Veranstaltungsraum mit ganzen 2.112 Quadratmetern Fläche. Mittels einer 21 Meter hohen, doppelten Akustiktrennwand kann er geteilt werden. Zahlreiche bewegliche Träger unter der Decke und Stützpunkte an den Wänden ermöglichen diverse Bühnenbilder und Produktionsvorrichtungen. Gleiches gilt für die auf dem Boden montierten Gitterständer, die bis zu 200 Tonnen tragen.

Der kristallartige Körper vor dem Warehouse nennt sich Hall. Er nimmt zwei Foyers in den Obergeschossen und ein Auditorium auf. Über eine elf Meter hohe Öffnung lassen sich beide Bereiche – Warehouse und Hall – verbinden, wodurch eine noch größere Bühne mit 35 mal 32 Meter entsteht. Zudem können die Sitzreihen im Parkett komplett eingeklappt und weggefahren werden – Flexibilität über Flexibilität. Insgesamt umfasst die Nutzfläche 13.350 Quadratmeter, bis zu 5.000 Personen finden im Warehouse Platz, nochmal 1.600 Sitz- oder 2.000 Stehplätze kommen in der Hall dazu.

Die Aviva Studios sind Teil der Umgestaltung des St. John’s Quarters, das zu einem Zentrum der Kultur-, Kreativ- und Digitalwirtschaft transformiert werden soll. Entlang des Flusses Irwell treffen hier historische Industriebauten aus Backstein auf neue Büro- und Wohnhochhäuser. OMA ständerte seinen Bau etwas auf, um auf eine Reihe erhaltener Bögen eines ehemaligen Viadukts zu reagieren. Diese sind nun Teil des Eingangsfoyers unterhalb des Betonquaders. Um Equipment in den angehobenen Veranstaltungsraum bringen zu können, stellte man neben das Warehouse zwei Aufzüge. Sie können zwei 50-Tonnen-Sattelschlepper mit zwölf Metern Länge befördern. Konstruktiv bestehen alle drei Baukörper aus einem Stahlgerüst.

Es ist OMAs erstes großes öffentliches Projekt in Großbritannien. Hervorgegangen ist es aus einem hochkarätig besetzten Wettbewerb von 2015. Laut Pressetext sollen die Aviva Studios die größte Investition in ein nationales Kulturprojekt in Großbritannien seit der Eröffnung der Tate Modern 2000 sein. Das Projekt stand unter der Leitung des Manchester City Council. Von der britischen Regierung wurde es mit umgerechnet rund 113,4 Millionen Euro unterstützt und vom Arts Council England mit rund 8 Millionen. Außerdem ist Aviva, eine weltweit agierende Versicherungsgesellschaft, Hauptsponsor und Namensgeberin des Kulturzentrums.

Man fühlt sich hier an so manch andere Kulturtempel von OMA erinnert. Die Form des kristallartigen Baukörpers lässt ein wenig an die Casa da Musica in Porto denken, das Konzept der verschiedenen Volumen an das Taipei Performing Arts Center in Taiwan. Doch in beiden Punkten hinkt man den hauseigenen Vorbildern um einiges hinterher – weniger konsequent, weniger exemplarisch. Und selbst die maschinenartige Flexibilität kommt nicht so selbstverständlich daher wie beim Wyly Theatre in Dallas. (mh)

Fotos: Marco Cappelletti, David Levene, Pawel Paniczko


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