Fünfzehn Jahre umkreiste die russische Raumfahrtstation Mir die Erde. Jetzt gibt es im nordfranzösischem Caen eine andere MIR, die „Maison de l’imagination et de la Recherche“. Mit der Raumfahrt hat dieses städtische Bildungs- und Kreativzentrum nicht viel zu tun. Ähnlich aber wie bei der sowjetischen Mir, deren Name sich auf Deutsch in „Frieden“ oder „Welt“ übersetzen lässt, hat die französische MIR etwas Visionäres: Als „Zusammenkunft der Ideen, Träume, Künste und des Wissens“ soll dieser Bau wirken.
Die Architekten Stéphanie Bru und Alexandre Thériot vom Pariser Büro Bruther wählten für das Kulturhaus, in dem Werkateliers und Veranstaltungsräume untergebracht sind, eine reduzierte, fast karge Formensprache. Das Gebäude ist ein gedrungener Turm, verkleidet mit ETFE-Folie und opaken Plastikpaneelen, durchdringt seine statische Metallstruktur die transparenten Wände. Ebenfalls aus Kunststoff ist eine Rippenkuppel, die dem kastenartigen Hauptbau als kreisrunder Hut aufsitzt.
Über dem offenen Erdgeschoss – Bruther gestalten ihn als überdachten Platz – liegen drei Etagen á sechs Meter Höhe. Die Architekten bezeichnen diese Geschosse als „Plateau“. Ohne festen Grundriss besitzt jedes von ihnen eine Fläche von 500 Quadratmetern. Sie sind aber flexibel nutzbar und räumlich wandelbar: Zwischenebenen können über Etagenmodule eingesetzt werden, Wände können eingezogen werden. Die Architekten drücken es poetisch aus: „Obwohl alle drei Räume von der gleichen Hülle umgeben sind, ist jeder Raum unabhängig, sei es Tag oder Nacht.“
Die Erschließungswege der drei Plateaus und des Kuppelsaals auf dem Dach des Kernbaus haben Stéphanie Bru und Alexandre Thériot nach außen verlagert. Fahrstuhl und Treppenhaus sind dem Turm als eigenständige Baukörper angefügt. Expressiv macht das Büro diese räumliche Addition sichtbar: Als länglicher Kasten mit opaker Verkleidung sind Fahrstuhl und Treppenhaus dem Baukörper im Norden angefügt, das südliche Treppenhaus spreizt sich gar als schmaler Riegelbau diagonal ab. Das Prinzip der räumlichen Addition gibt es bei der Raumfahrtstation Mir bekanntlich auch, ihre Module konnten über fünfzehn Jahre hinweg auf- und abgebaut werden, die MIR in Caen war allerdings nach neun Monaten fertig. (sj)
Fotos: Filip Dujardin , Julien Hourcade (Bruther)
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