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10.09.2021

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Fahrstuhlschächte aus Holz

Kulturzentrum mit Hotel in Skelleftea von White Arkitekter


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Das nordschwedische Skellefteå möchte zu einem international beachteten Hotspot der Nachhaltigkeit werden. Einst lebten die Menschen vom Bergbau, nun wird in neue Technologien investiert. Größter Coup: die Ansiedlung einer Gigafactory mit circa 3.000 Arbeitsplätzen, in der Batterien für die E-Mobilität hergestellt werden. Doch Produktion alleine reicht heute nicht mehr. Deshalb wurde diese Woche ein Kulturzentrum mit Hotel eröffnet. Der fast 80 Meter hohe Turm von White Arkitekter gilt als aktuell zweithöchstes Holzhochhaus weltweit. Ein Besuch vor Ort.
 
Von Sophie Jung

Schon von weitem ragt der schmale Turm des Sara Kulturhus aus der flachen Landschaft des schwedischen Lapplands hervor. Man sieht zunächst eine Glashülle, doch schnell offenbart sich, dass das gut 80 Meter hohe Hotel aus Holz konstruiert wurde. Holz ist hier ein traditioneller Baustoff, die Gegend von der Forstwirtschaft geprägt, doch in den Nachkriegsjahrzehnten galt das Material als altmodisch. Das kleine Städtchen Skellefteå ist von einer sachlichen Architektur aus Stahlbeton und Ziegeln bestimmt. Doch seit 2014 bindet die gleichnamige Gemeinde, in deren Zentrum das Städtchen mit seinen 33.000 Einwohnern und dem neuen Turmbau liegt, den hier so reichlich vorhandenen Rohstoff wieder in ihre Baupolitik ein.

Die baupolitische Entscheidung für Holz ist Teil einer größeren Strategie. Die Gemeinde will sich in einem ecological turn als herausragender Wirtschafts- und Wohnort im Norden Europas platzieren. Ein Anstieg ihrer Bevölkerung von derzeit 75.000 auf 100.000 Einwohner in den nächsten zehn Jahren ist prognostiziert. Anziehungspunkt für Skellefteå soll auch ein Kulturhaus sein, dessen enorme Dimensionen sich erst vor Ort wirklich erschließen. Unter dem Hotelturm schieben sich große hölzerne Kuben, die auf 13.500 Quadratmetern sechs Bühnensäle, zwei städtische Ausstellungshäuser, die Stadtbibliothek und eine öffentliche Passage fassen. Die Architektur stammt von White Arkitekter (u.a. Göteborg, Stockholm, Umeå).

Als die Gemeinde 2015 einen internationalen Wettbewerb für das Kulturzentrum auslobte, war eine Konstruktion aus Holz keine zwingende Vorgabe gewesen. Trotzdem hatten die meisten Büros entsprechende Entwürfe eingereicht. Es sei an diesem Ort einfach naheliegend gewesen, betont Oskar Norelius von White Arkitekter, um zu ergänzen: „Doch einmal für Holz entschieden, wollten wir es richtig durchziehen und es so viel wie nur irgend möglich verwenden.“ Entstanden ist schließlich ein über 20 Stockwerke reichender, von Glas thermisch umhüllter Holzturm mit ausladender Sockelbebauung, der mit seiner hohen Schmalseite den zentralen Platz des Städtchens geradezu schneidet.

Fahrstuhlschächte aus Holz

12.200 Kubikmeter Holz aus der Region wurden verbaut. Bis auf wenige fixierende und statische Notwendigkeiten ist alles aus dem nachwachsenden Rohstoff: das Tragwerk, die gesamte Konstruktion, selbst die Fahrstuhlschächte. Ausnahmen finden sich etwa im fünften Stockwerk, wo die Haustechnik des Hotelturms liegt. Hier kamen Stahlträger und Beton zum Einsatz. Stahlbeton wurde auch beim Abschluss der 19. und 20. Etage verwendet, um die Windkräfte zu minimieren. White Arkitekter wählten vornehmlich massives Brettsperrholz und Fichte.

Die verantwortlichen Architekten Robert Schmitz und Oskar Norelius setzen den Baustoff gekonnt in Szene: in der offenen Deckenkonstruktion des Foyers, wo die Pfähle zum Lastenausgleich wie monumentale Zapfen herunter hängen; in den Bühnensälen, wo die akustischen Wandpaneele ein regelrechtes Pixelmuster über die Wände legen; nicht zuletzt visuell über das gesamte Gebäude hinweg, wenn innen wie außen das Holz mit seiner Maserung Wände, Böden, Stufen, Geländer, Terrassen und Türen zum Flirren bringt.

Gemeinsam mit dem Bauunternehmen Hent, das bereits das aktuell welthöchste Holzhochhaus in Norwegen realisiert hat, entwickelten White neue technische Modelle und Typen. „Das Schwierigste war, für die Ideen zum Holz auch tatsächlich Lösungen aus Holz zu finden“, resümiert Norelius die sechs Jahre Arbeit an dem Projekt. Für den Hotelturm etwa entwarf das Team vorfabrizierte Module. Jedes Hotelzimmer ist ein solches Modul. Sie wurden über zwölf Stockwerke hinweg übereinander gestapelt und jeweils an vier Punkten fixiert.

Gelungen im Großen, Mängel im Kleinen

Allein auf Grund der Höhe haben sich White beim Wettbewerb aber nicht gegen die 54 Konkurrenten durchgesetzt, betont Tove Wallsten von der schwedischen Architektenkammer. Vielmehr seien es die Effizienz und Flexibilität gewesen, mit der das Büro sechs Bühnen, zwei Kunstgalerien und die Stadtbibliothek in dem Bau organisieren. „Mal sollen 2.000 Besucher*innen kommen können, mal nur 500. Der Bau sollte niemals zu klein sein, aber auch niemals leer wirken“, erklärt Wallsten. Besonders überzeugt habe die Idee einer öffentlichen Passage durch das Kulturhaus vom zentralen Platz des Städtchens im Süden über eine monumentale sogenannte Kulturtreppe hinweg bis zum Bahnhof im Norden (der leider noch auf seinen Anschluss an den Personenverkehr wartet).

Das Sara Kulturhus ist elegant in der Weitsicht, es ist im besten Sinne unaufdringlich gestaltet in der Nahsicht, und es beeindruckt von innen. Doch gerade weil die Architektur so stimmig ist, fallen ihre Unstimmigkeiten besonders auf: Schon von weitem sieht man durch die gläserne Fassade die Kulturtreppe mit ihren großen Sitzstufen, doch zu ihr hin gelangt man nur durch eine verlgeichbar mickrige Zugangssituation als nähme man den Eingang einer Stadtteilschule.

Die Kunstgalerie im ersten Obergeschoss – mit geweißten Wänden und nur künstlich belichtet – ähnelt mit ihren mächtigen Brandschutztüren der Lagerhalle eines Supermarkts. Und im Vergleich zur detailliert ausgearbeiteten Holzfassade ist die Gestaltung auf der Straßenebene mit gebürsteten Metallgeländern, Standardglastüren und Betonpaneelen geradezu lieblos. Ein Blick auf die großen Kulturbauten Europas, mit denen dieses ambitionierte Projekt mithalten möchte, zeigt, dass gerade solche Details die Anerkennung und Langlebigkeit von öffentlichen Bauten ausmachen.

Was kommt?

Die wichtigste Frage aber ist, was dieses Haus mit Stadt und Region machen wird. Seine Symbolträchtigkeit ist hoch. Es ist toll, dass sich eine kleine Gemeinde entschieden hat, in Kultur zu investieren – und dabei so offen war, die Idee einer „experimentellen Küche der verschiedenen Künste“ umzusetzen, wie die Direktorin des Sara Kulturhus Maria Ekberg Brännström das Konzept beschreibt. Doch die Landmarke bleibt ein Hotel, in das jetzt die Nobelkette Elite einziehen wird.

Als das gut 100 Kilometer entfernte Umeå (zusammen mit Riga) im Jahr 2014 Europäische Kulturhauptstadt war, hatte es sich ebenfalls einen solchen  hohen Mixed-Use-Bau geleistet. Das Haus mit Bibliothek, Theater, Messezentrum und Hotelturm wurde damals von Snøhetta und White Arkitekter zusammen geplant. Der glatte, weiße und horizontal geglierte Bau hinterlässt heute den Eindruck, lediglich einen Businessstandort markieren zu wollen, dem die Kultur untergeordnet ist.

In Skellefteå wünscht man sich eine Umkehrung: Wie wäre es denn, wenn die experimentelle Küche in Form von Ateliers, Werkstätten, Wohnräumen bis in alle zwanzig Stockwerke hinauf reicht? Doch bei solch einem Wagnis wäre wohl der Investor Samhällsbyggnadsbolaget nicht auf die Gemeinde zugekommen. Denn Gebäude und Grundstück hat mittlerweile das nordschwedische Immobilienunternehmen erworben. Mit einem 50-Jahres-Vertrag ist die Gemeinde Skellefteå nur noch Mieterin in ihrem eigenen, gut 117 Millionen Euro Kosten annehmenden Pionierprojekt.

Fotos: Åke E:son Lindman, Patrick Degerman, Jonas Westling / Martinsons, Sven Burman / Visit Skellefteå 


Zum Thema:

Vom 18. September bis 11. November 2021 findet bei Aedes mit „White Arkitekter. A Heart of Wood – Sara Kulturhus in Skellefteå “ eine Ausstellung zu diesem Holzbau in Berlin statt. www.aedes-arc.de


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

6

Christian Richter | 14.09.2021 12:47 Uhr

Beigeschmack

Wie bei vielen Projekten, die sich in besonders augenfälliger Weise mit Nachhaltigkeit beschäftigen, wird vielleicht genau dieses Zeichenhafte zur Hürde für das eigentliche Ziel. Ein Holzbau in Schweden, dagegen kann man natürlich nichts sagen.

Aber ein Hochhaus? In Lappland? Es gibt kaum eine weniger nachhaltige Gebäudeform als ein statisch aufwendiges, aber dann umso unflexibleres System als eine Hochhausscheibe. Die dann komplett mit Glas eingehüllt werden muss, weil die klimatischen Bedingungen so rau sind. Ist es nicht merkwürdig, dass alle anderen Gebäude auf dem Luftbild so ganz anders aussehen?

Auch das architektonische Versprechen konnte nicht eingelöst sein. Wer jetzt sagt, dass sei bei Renderings ja immer so, würde die gestalterische Ambition schon am Eingang abgegeben. Bei den scheinbar so transparenten, luftigen Hülle, die das Bild vorgaukelt, ist es aber eine Illusion mit Ansage.

Vielleicht werden aber Erkenntnisse gewonnen, die an anderen Orten sinnvoller eingesetzt werden können. Das wäre dann wirklich ein Beitrag zur Nachhaltigkeit.

5

Johannes Debus | 13.09.2021 16:30 Uhr

Fahrstuhlschächte aus Holz Kulturzentrum mit Hotel in Skelleftea von White Arkitekter

Nun einmal ein paar Fakten zum Holzbau in Schweden.
In Schweden wächst mehr Wald als abgeholzt wird. Das heisst, die Holzindustrie in Schweden ist überaus nachhaltig.
Weiterhin geht die meiste Produktion des Konstruktionsholzes in Schweden in den Export. Ein Grossteil dieses Holzes wird im Betonbau gebraucht! Holzverschalungen zum Beispiel. Ist ist also wesentlich nachhaltiger das Holz direkt zu verbauen als es als Wegwerfholz in der Betonindustrie zu verwenden. Im übrigen verbraucht ein Holzbau sehr sehr viel weniger CO2 als Beton-oder Stahlbauten. Es gibt also eigentlich nur Vorteile für den Holzbau.
Johannes Debus, Architekt in Schweden

4

Ein plus drei | 12.09.2021 17:17 Uhr

Aufblühen

Es begeistert, dass ökologische und soziale Nachhaltigkeit bei so manchem just dann ins Auge springen, wenn ein Baustoff gewählt wird, der beide Kriterien besser als die bisher hauptsächlich verwendeten Materialien erfüllen kann.

Spannend auch, dass man Materialien wie Carbon und Glasfaser ins Spiel bringt, oder gar beim bisherigen Baugehabe verharren möchte und dies gerade aus sozialen und ökologischen Gründen!

Wer diesen billigen Taschenspielertrick spielt, sollte sich dann schon auch mit Ölförderung und Zementherstellung befassen.

Oder vielleicht gewisse (Neu-)bauten in Ausmass und Gestalt hinterfragen?

3

R. Fischer | 11.09.2021 18:03 Uhr

Nachhaltigkeit

Angesichts des nachhaltigen Anspruchs habe ich schon mal bei der Batterienherstellung Bedenken, da die Rohstoffe oft unter unmenschlichen Bedingungen gewonnen werden !
Und mag sein, dass der Rohstoff Holz dort noch überreichlich vorhanden ist, woanders herrscht Mangel.
12 200 verbaute cbm sind wohl wieviel Bäume? Mindestens 5000 oder sogar 10000 oder noch mehr ?
White Architectur und Investor sollten die CO² Abgabe freiwillig leisten, in dem sie entsprechend Neuwald bilden in einem Gebiet, was keine Abholzung mehr verträgt, als Beitrag zum globalen Klimaschutz. Und auch um Unmenschlichkeit abzubauen.




2

mawa | 10.09.2021 21:51 Uhr

ad 1

Dass Sie so eine Frage hier raunend ins Leere stellen, statt einfach online zu recherchieren, ob Ihre Hypothese stimmt, zeugt davon, dass Sie sich ohnehin schon für eine Antwort entschieden haben

1

Hinrich Schoppe | 10.09.2021 16:35 Uhr

Schick, aber...

...ob die Verwendung von so viel Holz wirklich nachhaltig ist? Es braucht Kubikkilometer Bauholz, dass irgendwo "produziert" werden muss.
Zur Erinnerung: Der Ausgangsstoff sind Bäume, also Pflanzen, die einige Jahrzehnte zum Wachsen benötigen, möglichst "artgerecht" und möglichst ohne Großtechnik (Harvester) "geerntet" werden sollten... Nach der Ernte sollte der Boden noch bzw. wieder nutzbar sein. Und das in Zeiten von Erderwärmung mit Verödung ganzer Länder und zunehmendem Raubbau an Wäldern, die für uns atembare Luft erzeugen.
Das Ganze wirkt für mich bei dieser Größe im Detail eher klobig; alleine die eher fetten Stahlspannschlösser, die das Holz zusammenzwingen. Das war schon Thema in den Öko-bewegten 80ern, als Holztragwerke aufkamen (v.Busse etc.) und ist nicht wirklich besser geworden.
Nach meiner Wahrnehmung gibt es sinnvollere Materialien für solche Vorhaben, auch betonreduzierte, z.B. Carbon, Glasfaser, bewehrte Ziegel...
Grundsätzlich ist das Ensemble für mich sehr gelungen, besonders die schöne schmale Hochhausscheibe, die geradezu spätmodern aus dem Sockel wächst.
Aber da so vehement auf die "Innovation Holz" hingewiesen wird...

 
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Zwanzig Stockwerke hoch ragt der hölzerne Hotelturm über die sonst flach bebaute Stadt Skellefteå in Nordschweden.

Zwanzig Stockwerke hoch ragt der hölzerne Hotelturm über die sonst flach bebaute Stadt Skellefteå in Nordschweden.

Der schmale Hotelturm mit seiner thermischen Hülle aus Glas wird im unteren Bereich von einem vier- bis fünfsgeschossigen Sockel umgeben, in dem der eigentliche Kulturbau liegt.

Der schmale Hotelturm mit seiner thermischen Hülle aus Glas wird im unteren Bereich von einem vier- bis fünfsgeschossigen Sockel umgeben, in dem der eigentliche Kulturbau liegt.

White Arkitekter verbauten so viel Holz wie möglich. Ihre Materialentscheidung inszenieren sie mit einer offenen Deckenkonstruktion im Foyer.

White Arkitekter verbauten so viel Holz wie möglich. Ihre Materialentscheidung inszenieren sie mit einer offenen Deckenkonstruktion im Foyer.

Der größte der sechs Bühnensäle umfasst 1.200 Sitze. Wände, Decke, Boden, Stühle, Bühnenrückwand: alles aus Holz!

Der größte der sechs Bühnensäle umfasst 1.200 Sitze. Wände, Decke, Boden, Stühle, Bühnenrückwand: alles aus Holz!

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