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09.01.2018
Altstadtreparatur mit Tücken
Kulturzentrum in Odense von C.F. Møller
Die dänische Stadt Odense hat zwar nur 170.000 Einwohner, ist aber trotzdem der drittgrößte Ort des Landes. Sie liegt verkehrsgünstig in der Mitte Dänemarks und darf sich darüber freuen, dass hier der weltbekannte Autor Hans Christian Andersen geboren wurde. Zu dessen Ehren soll dort in den nächsten Jahren ein neues Museum von Kengo Kuma enstehen, aber der Blick nach Odense lohnt momentan nicht nur aufgrund des professionell vermarkteten Märchenerbes. Auch sonst tut sich in architektonischer und stadtplanerischer Hinsicht gerade etwas im historischen Kern der Stadt.
Mit dem multifunktionalen Kulturzentrum Odeon, das im letzten Jahr feierlich eröffnet wurde, haben C.F. Møller Architects (Aarhus) nämlich gerade ein ausladendes Haus abgeliefert, das erheblich zur kulturellen Neuerfindung der Stadt beitragen soll. Der riesige Komplex bietet vier Säle für Theater- und Musikaufführungen sowie Räume für Konferenzen und Ausstellungen. Eine Theater- und eine Musikhochschule finden sich hier ebenso wie Gastronomie und Geschäfte. Sogar studentisches Wohnen wurde in den Riesenkomplex integriert.
Der Neubau geht auf einen Wettbewerb zurück, den die Architekten vor zehn Jahren für sich entscheiden konnten. Die architektonische Form begründen sie mit dem Standort zwischen kleinteiliger historischer Stadtsubstanz und modernem, mehrgeschossigen Wohnungsbau. Um hier zu vermitteln, wurde der weiß gehaltene Baukörper in einzelne „Stadthäuser“ aufgelöst, die in der Höhe variieren und angenehme städtische Räume schaffen sollen. Der große Saal und der Bühnenturm ragen deutlich aus dem Gesamtkomplex hervor.
So gelungen der niedrig gehaltene Zugangsbereich auch wirkt, so irritierend banal und abweisend zeigt sich das Haus nach Norden. In keinster Weise repräsentieren die kantigen Fassaden mit ihrer beliebigen, vertikalen Fenstergliederung die von den Architekten behauptete Programmatik des Hauses, eine „Stadt in der Stadt“ und ein „kultureller Marktplatz“ zu sein, in dem sich Menschen aller sozialer Schichten auch unabhängig von Aufführungen und Events treffen und austauschen können. Ein Blick auf die Modellfotos macht jedoch schnell klar, dass im Planungsverlauf viele der ursprünglichen Ideen verloren ging. Was heute an manchen Stellen wie ein maßstabsloser Klotz wirkt, war eingangs als Aneinanderfügung eigenständiger, dunkel gehaltener Baukörper konzipiert, die als Rahmen für die strahlend weißen, höheren Teile gedacht gewesen waren. Schräge Dachflächen, große Fensterfronten und verglaste Zwischenräume hätten der Gesamtform eine formale Lebendigkeit verliehen, die man im realisierten Haus schmerzlich vermisst.
Die Mängel sind auch deswegen bitter, da das Odeon der erste große Neubau ist, der im Zuge der städtebaulichen Neuordnung der Innenstadt von Odense entstand. Durch den östlichen Teil des historischen Stadtzentrums verlief nämlich über Jahrzehnte eine breite Verkehrsschneise – eine typische Planung aus der Zeit des autogerechten Städtebaus. Mehrere Hundert Meter der mehrspurigen Thomas-B.-Thriges-Straße wurden in ihrer bisherigen Form aufgehoben und völlig neu gestaltet, so dass ein autofreies innerstädtisches Quartier entstehen kann, das die Altstadt massiv aufwerten wird. Das Quartier hat erhebliches touristisches Potential, denn hier liegt eben auch das vermutete Geburtshaus von Andersen. Im Bereich der ehemaligen Schnellstraße soll dann auch bis 2020 Kumas Museum entstehen.
Unabhängig davon, wie man C.F. Møllers Riesenkomplex am nördlichen Ende der ehemaligen Thomas-B.-Thriges-Straße auch einschätzen mag: Der umfangreiche Eingriff in die Verkehrsinfrastruktur und die Reparatur des historischen Stadtgrundrisses, gepaart mit massiven Investitionen in Kulturbauten, machen neugierig, sich das Ergebnis in ein paar Jahren genauer anzusehen. (gh)
Fotos: Kirstine Mengel, Jens Wognsen, KPC
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Zur historischen Altstadt hin zeigt sich das Odeon kleinteilig und einladend.
Die nach Norden orientierten Fassaden irritieren in ihrer Massivität und Beliebigkeit.
Die Baustellen links im Bild liegen im Bereich der ehemaligen Schnellstraße.
Das Haus soll als „kultureller Marktplatz“ fungieren.
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