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06.09.2018

Raum zum Atmen

Kulturzentrum in Hongkong von Herzog & de Meuron


Als „Tai Kwun“ – zu Deutsch „große Station“ – war ein im Hongkonger Central District liegender Strafvollzugskomplex unter den Einwohnern der Stadt bekannt. Die Anlage aus der Mitte des 19. Jahrhunderts umfasste die zentrale Polizeiwache, Gerichtsgebäude und das Victoria-Gefängnis. Nachdem die Institutionen 2006 schließlich auszogen, stand das Areal lange leer. Dann wurde aus der einst größten und wichtigsten Justizeinrichtung der früheren Kolonie eines der bedeutendsten Revitalisierungsprojekte der Stadt. Im Auftrag des Hong Kong Jockey Club transformierten Herzog & de Meuron (Basel) das Gebäudeensemble in ein Kulturzentrum: das Tai Kwun – Centre for Heritage & Arts.

Inmitten des äußerst dichten, extrem lebendigen Hochhausdschungels, in dem es kaum offene Flächen gibt, fungiert das aus zwei großen Höfen und mehreren historischen Bauten bestehende Areal heute als eine seltene Oase der Ruhe und des freien Raums. Die Architekten entwickelten beide einst von der Stadtgesellschaft hermetisch abgeschirmten Plätze – den Parade Ground und den Prison Yard – zu neuen Mittelpunkten für Kultur und öffentliches Leben. Um den einstigen Gefängnishof zu aktivieren, wurde der angrenzende Gebäudebestand um zwei neue Volumen erweitert. Die eng in die bestehenden Strukturen eingepassten turmartigen Kuben sitzen an zwei Ecken des Grundstücks und scheinen über der die gesamte Anlage umlaufenden Granitmauer geradezu zu schweben.

Mit ihrer Intervention bauen Herzog & de Meuron eine dezente Spannung innerhalb der bestehenden Ordnung auf: Während die Altbauten originalgetreu und mit Spuren ihrer früheren Nutzung erhalten blieben, bilden die Erweiterungen mit flexiblen, stützenfreien Ausstellungsflächen und Metallfassaden über massivem Betonsockeln den zeitgenössischen Gegenpart. Das technisch wirkende Fassadenornament aus 100 Prozent recyceltem Aluminium sorgt für Sonnenschutz und orientiert sich an den Proportionen der Granitblöcke in der alten Mauer. Bildet diese eine hermetisch dichte Grenze, öffnet sich die neue Metallgitterstruktur dem Blickwechseln zwischen innen und außen und referenziert so nur noch die historische Form, nicht aber die frühere Schutzfunktion der Mauer.

Unter den auskragenden Bereichen der beiden Baukörper entstanden regengeschützte öffentliche Räume und Wegführungen, unter anderem auch eine neue Fußgängerverbindung zwischen Old Bailey Street und Arbuthnot Road. Der an letzterer Straße liegende Arbuthnot Wing überdacht zudem eine breite Treppe, die sich als informelle Sitzgelegenheit und kleine Veranstaltungsbühne anbietet. Im zweiten Obergeschoss des gegenüberliegenden Old Bailey Wing befindet sich ein Restaurant mit Außenterrasse, markiert durch eine hier befindliche umlaufende Öffnung der Fassade. (da)

Fotos: Iwan Baan


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