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10.05.2021
Urban Mining in Basel
Kultur- und Gewerbehaus von baubüro in situ und zirkular
Die Schweizer Architektur glänzt in der Regel durch ihre edle Anmutung und perfekte Ausführung. Doch die Eidgenoss*innen können auch ganz anders! Das beweist das im Herbst letzten Jahres eröffnete Kultur- und Gewerbehaus ELYS in Basel. Der Umbau auf dem Lysbüchel-Areal (ganz in der Nähe des Novartis Campus) darf als Pionierprojekt in Sachen „Urban Mining“ gelten. Denn das Bauen mit gebrauchten Bauteilen war zentrale Zielsetzung des Projekts, das das baubüro in situ zusammen mit zirkular im Auftrag der Immobilien Basel-Stadt IBS (eine Dienststelle des Finanzdepartements des Kantons Basel-Stadt) realisierte.
Seit über 20 Jahren gilt das Basler Büro in situ als Wegbereiter des Bauens mit wiederverwendeten Architekturelementen und des kreativen Sanierens. Für ihr Engagement bekamen in situ-Gründer*innen Barbara Buser und Eric Honegger im letzten Jahr den renommierten Prix Meret Oppenheim. Die Firma zirkular ist wiederum eine Ausgründung aus in situ. Seit letztem Jahr agieren zirkular als „Fachplaner Re-Use“ und haben beispielsweise an der Unit Sprint des viel beachteten Forschungsprojekts Nest EMPA in Dübendorf bei Zürich mitgearbeitet, in dessen Kontext unter anderem auch Gramazio Kohler sowie Werner Sobek, Dirk E. Hebel und Felix Heisel experimentelle Module realisierten.
Doch zurück nach Basel: Beim ELYS handelt es sich um den Umbau eines knapp 32.000 Quadratmeter großen Gewerbebaus von 1982, der als Verteilzentrum und Großbäckerei der Schweizer Supermarktkette COOP diente. 2015 konnte das Generalplanerteam aus in situ und IttenBrechbühl (Bern) das von der IBS ausgeschriebene Bewerbungsverfahren für den Umbau zweier Gewerbebauten auf dem ehemaligen COOP-Areal für sich entscheiden. Gefordert waren ein Konzept, Kostenschätzung und entsprechende Referenzprojekte. Anschließend teilten die Büros die Aufgaben auf: In situ übernahm den Umbau von Gebäude 215 zum ELYS, Itten.Brechbühl bauten Gebäude 209 zu einer Primarschule um.
Beide Häuser waren über die Jahre immer wieder umgebaut worden und schließlich zu einem Gebäudekomplex zusammengewachsen. Haus 215 musste um einige Meter rückgebaut werden, um Licht in die Schule zu bringen. Zwischen den beiden Bauten entstand dadurch eine autofreie Gasse. Das Schulhaus wurde von Itten.Brechbühl um eine Aula und einen Pausenplatz auf dem Dach aufgestockt; zudem erhielt der Bestandsbau eine neue Betonfassade.
In situ und zirkular gingen beim ELYS einen komplett anderen Weg. So weit wie nur irgendwie möglich setzten die Planer*innen beim Umbau des circa 100 x 100 Meter großen Bestandsbaus auf die Verwendung bestehenden oder gebrauchten Materials. Schwerpunkte der Planung waren dabei die neue Fassade, die aufgrund des Rückbaus nötig wurde, sowie ein neu angelegter Innenhof, der Licht und Luft in den tiefen Baukörper bringt. In beiden Fällen realisierten die Architekt*innen eine neue Hülle aus recyclierten Materialien und Lagerresten der umliegenden Baustoffindustrie.
Bei den Fenstern handelt es sich um Restbestände verschiedener Hersteller aus der Umgebung, die Lamellen des Holzrahmenbaus wurden aus rückgebauten Holzkonstruktionen zugesägt, und bei der Dämmung setzte man zu einem großen Teil auf Steinwolleverschnitt von anderen Baustellen. Das spart reichlich CO2. Ausbau der Materialien, Logistik und Planungsaufwand sorgen aber dafür, dass das Bauen nicht unbedingt günstiger wurde als wenn man mit Neuware gearbeitet hätte, betont Projektleiter Oliver Seidel von zirkular gegenüber BauNetz. Die notwendigen Energiewerte wurden unter anderem durch die hochwertige Dämmung des Daches erreicht. Im Gegensatz dazu nahm man bei einigen Bereichen der Bestandshülle schlechtere Werte in Kauf, sofern die dahinter liegende Nutzung (etwa Sporthallen) dies erlaubte. An solchen Stellen konnten Kosten und Eingriffstiefe in den Bestand gezielt niedrig gehalten werden. Augenfällig wird das Urban Mining unter anderem an den grünen und beigen Trapezblechen aus Aluminium an der Hülle. Sie wurden weder neu lackiert noch gereinigt.
Innen verantworteten in situ und zirkular das Haus nur bis zum Rohbauzustand. Innenausbau und Haustechnik wurden aus vergaberechtlichen Gründen durch S+B Baumanagement (Olten) geplant und ausgeführt. Einige der Mieter setzten aber bewusst auf Rohbau-Charme, etwa die Boulderhalle und ein Zentrum für junge, urbane Trendsportarten. Neben Proberäumen für Bands im Keller findet man aktuell auch einen sozialen Träger sowie kommerzielle Nutzer aus den Bereichen Sportbekleidung und hochwertige Uhren im ELYS. Die Sporthalle der Primarschule befindet sich ebenfalls im Haus, eine Gastronomie ist geplant. Coronabedingt sind noch nicht alle Flächen vermietet.
Ursprünglich wollten die Planer*innen übrigens alle Materialien aus den Rückbauten des Lysbüchel-Areals beziehen, das zu einem Wohnquartier transformiert wird. Dieser Ansatz erwies sich aber doch als zu ambitioniert. Auch aus der schönen Idee, das Glasdach des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland aus Bonn in Basel zu verbauen, das ersetzt werden musste, wurde leider nichts. Die hochwertige Verglasung erwies sich technisch als zu spezifisch und damit ungeeignet für das ELYS. Es wäre vielleicht auch eine zu schöne Pointe zum aktuellen Baugeschehen gewesen, wenn hinter den wiederverwendeten Gläsern eines deutschen Museums die Basler Jugend Fußball gespielt hätte… (gh)
Fotos: Martin Zeller
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Kommentare:
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Das ELYS befindet sich im ehemaligen Gebäude 215 (links). Durch dessen Rückbau um einige Meter entstand eine Gasse. Rechts das Primarschulhaus von Itten.Brechbühl im ehemaligen Gebäude 209.
Die Trapezbleche aus dünnem Aluminium stammen aus Beständen vor Ort bzw. waren ursprünglich bereits am Haus verbaut. Sie wurden weder neu lackiert noch gereinigt.
Um Licht und Luft in den flachen, 100 x 100 Meter großen Baukörper zu bringen, wurde ein Innenhof geschaffen. Hier wie auch an der Fassade Richtung Primarschule ist das Konzept des „Urban Mining“ am besten zu erkennen.
In situ und zirkular verantworteten nur Hülle und Rohbau. Danach übernahmen S+B Baumanagement. Einige der Mieter, etwa die Boulderhalle und ein Zentrum für urbane Trendsportarten, identifizieren sich jedoch mit dem rohen Charme der Räume.
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