Früher wurde auf dem Alexandra Pier von Montreal in vier riesigen Hangars Korn gelagert und dann verschifft. Der monumentale Maßstab hat sich bis heute erhalten, auch wenn es längst Kreuzfahrtschiffe sind, die hier anlegen. Um den Ort auch für die Bewohner*innen der Stadt attraktiv zu machen, haben die ortsansässigen Büros Provencher_Roy und NIPPaysage den Pier vollkommen umgestaltet. Ein gläserner „Leuchtturm“ markiert nun die Spitze der inzwischen als Grand Quai bezeichneten Hafenanlage.
Der alte Hafen von Montreal liegt westlich der Innenstadt am Sankt-Lorenz-Strom. Direkt gegenüber befindet sich auf der Île Sainte-Hélène das Expo 67-Gelände. Das Pier-Projekt geht zurück auf das Jahr 2013, als die Hafenverwaltung eine Transformation des in die Jahre gekommenen Kreuzfahrtterminals initiierte. Nach einem partiellen Rückbau erfolgte eine vollständige Überformung des Bestands.
Die Anlage besteht primär aus zwei langgezogenen Terminalbauten, von denen das südliche Volumen eine öffentliche Dachlandschaft erhielt. Vom Straßenniveau aus geleitet eine breite Treppe auf die sogenannte Esplanade. Ein kantiger Kopfbau markiert die Adresse des Quais. Als Haupterschließung fungiert die Dachterrasse, auf der Besucher*innen bis zur Spitze des Piers spazieren können. Korrespondierend zum Auftakt mit der Freitreppe gibt es dort dann einen bis auf das Flussniveau abgesenkten Park. Auf bunten Stühlen lässt sich von hier aus Mosche Safdies Wohnkomplex Habitat 67 betrachten.
Weithin sichtbarer Höhepunkt der Anlage ist aber der Turm, den Provencher_Roy ebenfalls an der Spitze des Piers platzierten. Mit seinen 65 Metern behauptet er sich unter den bestehenden Wahrzeichen in diesem Teil der Stadt. Auch die Kreuzfahrtschiffe werden mit diesem gläsernen Turm angemessen empfangen. Konstruiert aus einem stämmigen Betongerüst und Stahlfachwerk für die Auskragungen, bietet er auf 55 Metern Höhe einen multifunktionalen Eventraum. Von dort führt eine skulpturale Wendeltreppe noch zehn Meter weiter nach oben zu einem gläsernen Austritt.
Die Materialisierung des Projekts balanciert zwischen den Ansprüchen an ein luxuriöses Kreuzfahrtterminal und einem feinen Sinn für die Geschichte des Ortes. Die spiegelnden Böden, weiß lackierten konstruktiven Elemente und gläsernen Fassaden dürften dabei den Geschmack eines wohlhabenden internationalen Publikums treffen. In der Betonkonstruktion und im Stahlfachwerk lässt sich aber auch ein Widerhall jener Industriearchitektur erkennen, die einst den Ort prägte und die auf dem Nachbarpier fragmentarisch sogar noch zu erkennen ist. (sb)
Fotos: James Brittain, Nanne Springer, Stéphane Brügger, Olivier Blouin
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