Es ist ein Hingucker in einem sonst eher unspektakulären Straßenbild: Komplett in Blau präsentiert sich neuerdings ein ehemaliges städtisches Verwaltungsgebäude aus Backstein an einer Straßenecke in Wood Green im Norden Londons. Schon länger wurden das Haus und der dahinterliegende Parkplatz nicht mehr genutzt, nun kehrt hier neues Leben ein – und Farbe. Für die nächsten fünf Jahre beherbergt das Gelände, das perspektivisch umfassend entwickelt werden soll, ein buntes Kreativdorf, den Blue House Yard, in dem lokale Designer, Handwerker und Kleingewerbe produzieren und verkaufen.
Entworfen wurde das temporäre Gebäudeensemble von Jan Kattein Architects JKA. Das Londoner Büro hat sich auf die Entwicklung und Wiederbelebung der klassischen local high street spezialisiert – der bunt gemischten Einkaufsstraße, wie man sie hunderte Male in der Millionenstadt findet. Der Blue House Yard ist nur eines von zahlreichen Umnutzungs- und Revitalisierungsprojekten, die JKA in Kooperation mit der Zwischennutzungsagentur Meanwhile Space unter dem Namen High Street Works realisiert haben.
Der ehemalige Verwaltungsbau, der nun elf Studios und Ateliers beherbergt, erhielt nicht nur außen, sondern auch im Inneren ein neues Farbgewand. Warum gerade blau gewählt wurde, geht aus den Informationen der Architekten zwar nicht hervor, einige Berliner und Berlintouristen dürfte diese Farbwahl jedoch an den Club „Kater Blau“ am Spreeufer denken lassen. Und tatsächlich verfolgt der Blue House Yard eine ähnliche Raumstrategie: Innerstädtisches Brachland wird in ein informelles urbanes Dorf transformiert, wobei spielerische Improvisation, Offenheit hinsichtlich der Nutzungen und der Spaßfaktor für die Besucher im Mittelpunkt stehen.
Ein Ensemble aus neun freistehenden, schmalen und teils zweigeschossigen Holzhütten mit Arbeits- und Verkaufsräumen gruppiert sich hinter dem blauen Haus, das zugleich als Eingangsbereich fungiert, um einen Hof. Dieser erweitert den öffentlichem Raum im Stadtviertel um einen geschützt und abseits der Straße liegenden Ort, der sich optimal für Märkte und kleinere Veranstaltungen eignet. Auch ein ausrangierter Doppeldeckerbus ist Teil dieser Szenerie. Er hat hier eine neue Bestimmung als Café gefunden.
Die farbenfrohe Fassadengestaltung der Holzhäuser, die an Berghütten oder kleine Schuppen erinnern, entspricht der bunten Mischung ihrer Mieter – zu ihnen gehört ein Schneider ebenso wie ein Spielzeugbauer und ein Bierbrauer. Die als Selbstbauprojekt angelegte Errichtung der einzelnen Bauten erfolgte durch zahlreiche, im Viertel ansässige Freiwillige und mit der Hilfe von Schreinerlehrlingen, die auf diese Weise zugleich praktische Erfahrungen sammeln konnten. Ganz generell steht das Kreativdorf im Zeichen des Ausprobierens und des gegenseitigen Austausches – und soll in diesem Sinne auch als beispielgebender Wegbereiter für die zukünftige, breiter angelegte Neustrukturierung des Stadtviertels fungieren. (da)
Fotos: Jan Kattein Architects
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peter lustig | 14.10.2017 22:07 Uhrheile welt
ein potemkin'sches dorf. wie die creative class...