Heute Mittag stellten die Kuratoren des deutschen Pavillons auf der diesjährigen Biennale in Venedig in Berlin ihr Konzept vor. Arno Brandlhuber, Olaf Grawert, Nikolaus Hirsch und Christopher Roth sind der Kern des Teams 2038, das sich als großes Netzwerk versteht und mit dem Pavillon einen Rückblick aus dem Jahr 2038 wagt, um festzustellen, dass trotz aller Krisen doch nochmals alles gut gegangen ist.
Von Gregor Harbusch
So schnell kann ein Jahrzehnt vergehen. Anfang des Jahres spekulierten Presse und Öffentlichkeit noch über die gesellschaftspolitischen Parallelen zwischen den 1920er und den nun anbrechenden 2020er Jahren. Nun blickt das Team 2038 bereits zurück und zieht das lakonische Fazit: „Die 2020er Jahre waren hart.“ Doch letztlich ging alles nochmals gut und 2038 blicken die Menschen mit einer ganz neuen Gelassenheit auf die letzten 18 Jahre zurück.
Um diese Kernthese wird sich der deutsche Pavillon drehen und dabei in erster Linie auf Filme setzen, in denen internationale Theoretiker*innen, Praktiker*innen, Forscher*innen und Expert*innen zu Wort kommen werden, die über neue Modelle gesellschaftlichen, ökonomischen, digitalen und ökologischen Zusammenlebens sprechen werden. Der Rahmen ist also ein fiktiver, die Personen und ihre Ideen sind jedoch real. Sie wollen Lösungen vorstellen. Und dabei weniger auf die konkreten Krisen von heute zielen, sondern neue Modelle bieten, die die heutigen Modelle obsolet machen – wie Co-Kurator Grawert mit den Worten Richard Buckminster Fullers betonte. Das Credo: „So könnte es hingehauen haben.“
Architekt*innen spielen in diesem Zukunftsszenario mit gutem Ende eine entscheidende Rolle. In der Ankündigung heißt es jedenfalls: „Und oftmals waren Architektinnen und Architekten Teil der Lösungen, weil sie Antworten statt Fragen hatten.“ So viel Vertrauen in die Profession erstaunt ein bisschen, macht aber auf jeden Fall neugierig – auch deshalb, weil im heute gezeigten Trailer klassisch architektonische Fragen eher am Rande thematisiert wurden.
Auf der Pressekonferenz spielten die Kuratoren jedenfalls ein veritables Spielchen mit der Zukunft. Der Theoretiker Suhail Malik aus London wurde per Skype aus dem Jahr 2031 zugeschaltet und berichtete vom großen Finanzcrash 2023 – wollte aber nicht verraten, wer dieses Jahr den Pritzkerpreis bekommen wird. Bei aller Komik: Die Ernsthaftigkeit ihres Anliegens ist den Kuratoren wichtig. 18 Jahre sind es nur bis 2038 und das bedeutet, dass es eben an uns heute und jetzt liegt, aktiv zu werden.
Für die Gestaltung des Pavillons arbeitet Team 2038 mit der lokalen Plattform Rebiennale zusammen. Rebiennale sammelt seit einigen Jahren nach jeder Biennale die Überreste und den Müll ein, den eine solche Großausstellung zwangsläufig produziert, und versucht das Material zu recyclen. Im deutschen Pavillon werden größtenteils Materialien der letzten Kunstbiennale verwendet, etwa Sitzbänke, die aus Überresten des koreanischen Pavillons produziert werden. Eine großflächige Filmpräsentation gegenüber dem Haupteingang soll die notorisch knappe Aufmerksamkeitsspanne der Besucher*innen ansprechen und in das Haus locken.
Das Team setzt auf drei Medien der Vermittlung. Neben der klassischen Präsentation im Pavillon werden alle Inhalte ab Eröffnung der Biennale auch auf der Webseite des Projekts verfügbar sein. Die Begleitpublikation sehen die Beteiligten ebenfalls als integralen Bestandteil ihres Konzepts. Sie wird als Sonderausgabe des Kunstmagazins Arts of the Working Class veröffentlicht. Das anzeigenfinanzierte Magazin, das in Berlin seit 2018 alle zwei Monate erscheint, wird an Obdachlose verschenkt, die es wiederum verkaufen und die gesamten Einnahmen behalten können. Die Sonderausgabe zum deutschen Pavillon soll international auf der Straße verkauft werden.
Das Team 2038 hatte sich im letzten Jahr im offenen Auswahlverfahren gegen rund 20 Mitbewerber durchgesetzt und wurde im Herbst offiziell mit der Kuration des Pavillons beauftragt. Am 22. Mai eröffnet die von Hashim Sarkis kuratierte 17. Architektur-Biennale , die dieses Jahr unter dem Motto „How will we live together?“ steht. Wer sich bis dahin nicht gedulden mag, dem sei die Präsentation auf der Webseite zum deutschen Pavillon 2020 empfohlen.
Zum Thema:
www.2038.xyz
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Ulrich Bartenbach | 01.08.2020 21:57 UhrFutur 2
Lese seit ein paar Jahren "Futur 2" von Harald Welzer/Peter Unfried aus dem taz-Umfeld.
Dazu auch "Im Grunde gut" von Rutger Bregman und die Zeitschrift "Oya", den Philosophen Andreas Weber (Enlivenment).
Die Avantgard "brennt" sehr hell. Die Architektur sollte dabei sein. Schön, wenn sie's endlich tut.
40 Jahre Investoren-Bauen haben unsere Welt ruiniert. Also: Auf geht's. und zwar: insieme, nur zusammen schaffen wir's. Kommunikation ist alles