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21.02.2018

Ein Heimatfilm für die Bauwirtschaft

Kommentar zur geplanten Wohnungspolitik der großen Koalition


Von Sophie Jung

Als würde Architektur vor allem aus Autobahnbrücken und Kühltürmen bestehen: Dass die vergangene Bundesregierung den Bereich Bauen dem Ministerium für Reaktorsicherheit und Verkehr zugeordnet hatte, war angesichts von Wohnungskrise und Bauboom nur schwer zu verstehen. Doch es kommt noch besser. Die Behausung der Deutschen soll demnächst zur Königsaufgabe in einem Superministerium werden: Horst Seehofer will, sollte die große Koalition wahr werden, von seinem Posten als bayerischer Ministerpräsident in ein neues Bundesministerium für Inneres, Bauen und Heimat wechseln. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Inneres, Bauen, Heimat – und Horst Seehofer. Wie ließe sich da ein Architekturverständnis versinnbildlichen? Als Schloss Neuschwanstein mit Panzerverglasung vielleicht oder als hochgiebliges Hopfenhaus mit Infrarotlicht-Zaun? Unter dem Hashtag #HeimatHorst jedenfalls sind den spöttischen Visionen keine Grenzen gesetzt.

Allein die Bezeichnung dieses neuen Ministeriums ist seltsam: Da werden Sachgebiete wie Inneres oder Bauen mit einem ideologisch schwer beladenen Begriff wie Heimat kombiniert. Wohnbauministerien sind in der Politik aber nichts ungewöhnliches. In Frankreich mit seiner langen Tradition des sozialen Wohnungsbaus ist so ein Ministerium seit Nicolas Sarkozys Präsidentschaft Bestandteil der Regierung. Selbst in Donald Trumps Kabinett kümmert sich Benjamin Solomon Carson als Bundesminister um die Belange des Wohnens. Doch schon begrifflich bewegt man sich da in einem anderen Terrain: Minister für Wohnungsbau und Stadtentwicklung etwa heißt es sachlich in den USA, Ministerium für territorialen Zusammenhalt nennt die Regierung Macrons ihre Amtstelle, bereits emotional gefärbt. Doch Bauen und Heimat, was verspricht uns das? Lässt man die bei diesem Begriffspaar unweigerlich mitschwingende Verklärung der Nationalsozialisten außer Acht, bahnt sich eine ziemlich verstaubte Idee des Wohnens ihren Weg: Die großen Reihenhaus-Kolonien aus der BRD des Wirtschaftswunders und der Fünfzigerjahre, die mit Schlagworten wie Eigentum oder Wohlstand in Verbindung zu bringen sind und nicht zuletzt das Bild einer Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern projizieren.

Tatsächlich haben sich SPD und CDU/CSU in ihren Koalitionsverhandlungen auf eine Maßnahme geeinigt, die diesem fossilen Verständnis des Wohnens – mit den Radiokommoden im Wohnzimmer und dem VW-Käfer in der Garage – wieder näherkommt. Der neue „Heimatminister“ will damit den „kleinen Leuten“ helfen, die ein Baukindergeld von 12.000 Euro je Kind bekommen sollen. Gestückelt über zehn Jahre, will die neue GroKo Familien mit einem versteuerten Jahreseinkommen bis 75.000 Euro dazu ermuntern, aus der Mietwohnung in die eigenen vier Wände zu ziehen. Dies soll für Bestandsbauten und Neubauten gleichermaßen gelten.

Mit diesem Förderinstrument will die Regierung zugleich auch eine Antwort auf die brennende Wohnungsfrage in den Städten geben. Doch ist fraglich, ob sie mit diesem Zuschuss, der an die 2005 abgeschafften Eigenheimzulage denken lässt, wirklich eine Lösung zu bieten hat. In den Medien herrscht daran jedenfalls großer Zweifel: Vom lauten Aufschrei Laura Weissmüllers in der Süddeutschen Zeitung bis zur Polemik von Benedikt Crone in der Bauwelt hagelt es vor allem Kritik an den Plänen der Regierung.

Das Satteldachhäuschen in der Vorstadt rückt mit dieser Förderpolitik jedenfalls unweigerlich wieder ins Blickfeld. Denn wohin ziehen die Menschen, wenn der Staat ihnen beim Immobilienkauf hilft? Hinaus vor die Stadt, dorthin, wo es noch einigermaßen bezahlbar ist. Städtebaulich dürften wieder all jene Effekte eintreten, die man noch Ende der Neunzigerjahre beklagte: Die Auen würden mit Kataloghäuschen übersäht, ihre Wiesen würden in Gartenparzellen aufgeteilt und dazwischen Asphaltstraßen fürs Familienauto gezogen. Zersiedelung! Ganz zu schweigen vom täglichen Pendelverkehr in die Stadt und zurück.

In den Innenstädten hingegen, so prognostiziert Julia Löhr in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, würde eine solche Zulage die Immobilienpreise nur weiter nach oben treiben. Denn mit der Förderung stiege die Nachfrage, und, so will es das eherne Gesetz des freien Marktes, je höher die Nachfrage bei einem knappen Angebot, desto höher der Preis. Ein Mechanismus, der bereits bei der Eigenheimzulage zu beobachten war. Der Zuschuss für die Steuerzahler landete damals direkt in den Portemonnaies der Bauunternehmen, die ihre Preise entsprechend angehoben hatten, resümiert Löhr. Die anhaltende Ausbeutung städtischen Grunds, bei der jede Freifläche mit überteuerten Karnickelställen zugebaut wird, würde gewiss nicht durch das neue Kindergeld gebremst. Für viele Stadtbewohner würden dann womöglich nur noch Wohnungen zu einer Option, wie sie gerade der Discounter Aldi am Standort seiner Filialen in Berlin plant. Ein Modell, das nur mit Zynismus zu betrachten ist.

Mit dem geplanten Baukindergeld verschärft die angehende Koalition nicht nur die wirtschaftliche Schieflage im Wohnbausektor, sondern folgt einem veralteten Denken. Alternativen zum freien Wohnungsmarkt von der Baugenossenschaft bis zum Co-Eigentum behandelt die Förderung nämlich nur stiefmütterlich. Vor allem vergisst sie auch Wohnmodelle, die jenseits der ohnehin immer selteneren Kleinfamilie stehen: Menschen und Familien beispielsweise, die in Clustern mit großen Gemeinschaftsflächen wohnen möchten. Sie würden vielleicht in Gruppen Altbauten ausbauen und ihrer Lebensart anpassen, ökologisch sinnvoll und stadterhaltend. Fördermodelle, die einen derartigen sozialen Ansatz unterstützen sind heute mindestens genauso gefragt wie die Kaufkraftsteigerung der Durchschnittsfamilie. Nicht zuletzt verbinden immer mehr Menschen den Begriff Heimat auch mit städtischen Wohngemeinschaften zwischen Patchworkfamilie, Dachgarten, Hausküche und Gemeinschaftsbüro im Erdgeschoss. Das scheint bei Horst Seehofer aber noch nicht angekommen zu sein.


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Wird hier in Zukunft übers Bauen nachgedacht? Das Ministerium des Inneren von Müller Reimann Architekten in Zusammenarbeit mit gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner, Foto: Stefan Müller

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Verschandelt auch ohne Eigenheimzulage die Natur: Schloss Neuschwanstein, Ergebnis einer verfehlten Baupolitik des 19. Jahrhunderts...

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