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14.03.2003

Neoklassizisten

Kommentar der Redaktion zur Bauakademie in Berlin


Seit zwölf Jahren gibt es in Berlin Pläne, Schinkels 1962 abgerissene Bauakademie wieder aufzubauen. Seit zwei Jahren gibt es einen von Josef Paul Kleihues maßgeblich initiierten Verein, der neuerdings „Internationale Bauakademie Berlin“ heißt - weil ein anderer Verein mit Namen „Bauakademie e.V.“ auf die Namensrechte nicht verzichten wollte.

Das zentrale Anliegen der Internationalen Bauakademie besteht aus zwei Aspekten: Zum einen geht es um Kleihues' Lieblingsidee eines „Berliner Architekturmuseums“. Dieser Begriff wird zwar heute nicht mehr verwendet, es geht aber weiterhin um eine verstärkte Zusammenarbeit derjenigen 14 Sammlungen, die in Berlin architekturrelevante Exponate besitzen - vom Kupferstichkabinett bis zur TU-Plankammer. Es sollen zwar weder diese Institutionen noch deren Sammlungen zusammengelegt werden, es soll aber einen gemeinsamen Katalog genauso geben wie Sonderausstellungen, die sich aus den Beständen aller Sammlungen speisen. Dies war zuletzt mit der Ausstellung „Die Hand des Architekten“ im Alten Museum vorgeführt worden.
Das zweite zentrale Anliegen des Vereins ist der Wiederaufbau der zerstörten Bauakademie und deren Betrieb als „breites Forum für Architekturforschung und -vermittlung“.
Um für diese Anliegen zu werben, lud der Verein für den 13. März 2003 zu einem Kolloquium in die DDR-Schinkelklause in der Oberwallstraße. Verwundert rieb man sich die Augen: Von den 14 Sammlungen war auf dem Podium niemand zu sehen, dafür saßen dort durchweg Vertreter des Architekturspektrums, das man als traditionalistisch bezeichnen kann: Hans Stimmann, Christoph Sattler, Vittorio Magnago Lampugnani, Fritz Neumeyer, Paul Kahlfeldt, Hans Kollhoff. Die beiden Letztgenannten haben sich inzwischen sogar als lupenreine Neoklassizisten zu erkennen gegeben.
Über die Sammlungen hörte man daher in den vorbereiteten Redebeiträgen fast nichts, statt dessen wurde in einem zum Teil unverständlich verschwurbelten Stil die eigene Verachtung über die Moderne des 20. Jahrhunderts ausgegossen. Der Moderne seien in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts keine Ensembleleistungen gelungen, „keine angenehmen Straßen, Plätze, Gassen, die den geliebten, gelassenen Zauber der europäischen Stadt erzeugen“ (Sattler). „Eine positivistische Sanktionierung internationaler Trends kann nicht Aufgabe der Bauakademie sein“ (Neumeyer), man suche vielmehr im Sinne Schinkels die „reine, architekturale Architektur“. „Modern ist das, was am wenigsten auffällt“ (ebenfalls Neumeyer). Lampugnani orakelte von einer „Krise der Architektur“, womit er keineswegs die desaströse Lage der Baukonjunktur meinte, sondern den „Verlust einer gemeinsamen Sprache“.

Es lässt sich also konstatieren, dass die Idee der Bauakademie inzwischen fest in der Hand einer bestimmten, in Berlin eh Ton angebenden traditionalistischen Denkschule der Architektur ist. Auf die Frage, warum denn nicht auch Leute wie Matthias Sauerbruch oder Hilde Léon auf dem Podium säßen, antwortete Kleihues, es werde demnächst eine Erweiterung und Öffnung des Personenkreises geben, der die Bauakademie trägt, und da würden auch die genannten Namen eine Rolle spielen. Hans Kollhoff dagegen beschied in der ihm eigenen Deutlichkeit, dass die Bauakademie „kein pluralistischer Verein“ sei. Schinkel sei das „Lackmuspapier“, das „wird man nicht alles in den Topf rühren, da hört der Pluralismus auf“.

Ob sich Kleihues mit seiner Öffnungspolitik gegen solches „Sektierertum“ (Florian Mausbach) durchsetzen kann, erscheint zweifelhaft.
Eines ist klar: Wer einen Verein gründet, kann hinein nehmen, wen er möchte, und er kann heraus halten, wen er nicht möchte. Aber: Wer den Anspruch erhebt, 14 verschiedene Institutionen zu repräsentieren, und wer obendrein von der öffentlichen Hand ein Filetgrundstück geschenkt bekommen möchte, kommt um ein gewisses Maß an Pluralismus nicht herum. Er kann sich jedenfalls nicht weiterhin so einseitig exponieren, wie es uns gestern vorgeführt wurde.

Benedikt Hotze

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