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02.11.2016
Experimenteller Dekonstruktivismus
Kleine Künstlerresidenz von Steven Holl fertiggestellt
Schiefe Wände, runde Fenster und blumige Worte – die Vorstellung des Laien vom Architektenberuf scheint weit entfernt von DIN und BIM. Umso erfreulicher ist es, dass sich selbst internationale Schwergewichte wie Steven Holl manchmal die Zeit nehmen, in kleinen Projekten der architektonischen Poesie nachzugehen. Die Studien zum Projekt Ex of In hatten Steven Holl Architects im letzten Jahr auf einer Kunstmesse präsentiert. Nun wurde die Künstlerresidenz im US-amerikanischen Rhinebeck fertiggestellt.
Die Geometrie des Hauses beruht auf der Überschneidung von sphärischen Formen und Trapezoiden. Aus Kuben ausgeschnittene Rundungen spielten dabei kürzlich auch schon eine Rolle in Steven Holls Visual Arts Center in Iowa City, die Räume des 12.000-Quadratmeter-Komplexes wirkten jedoch vergleichsweise konventionell und genormt. Eine Künstlerresidenz mit nur 85 Quadratmetern in der Wildnis erlaubte es den Architekten nun, „aktuelle architektonische Klichees und wirtschaftliche Praktiken in Frage zu stellen“.
Im „Gegenentwurf zur modernen Vorstadt“ werden Raumqualitäten komprimiert, anstatt sich in die Landschaft auszubreiten. Das Haus bezieht sich auf die „Ökologie des Ortes“ und ist aus lokal produziertem Glas und Holz gebaut. Die Öffnungen richteten die Architekten so aus, dass je nach Sonnenstand spezifische Lichtsituationen entstehen. Durch den völligen Verzicht auf trennende Wände wird das Haus zu allen Zeiten von der Sonne „durchleuchtet“. Außerdem wurden alle Lampen vor Ort am 3D-Drucker aus biologischem Maisstärke-Kunststoff hergestellt. Eine geothermische Heizung sowie die Stromerzeugung durch Solarenergie machen das Haus energetisch unabhängig.
Es scheint, als wollte Steven Holl mit diesem Experiment zu den Wurzeln des Dekonstruktivismus zurückkehren. Ob sich die Gestaltung auf die Arbeit von Gordon Matta-Clark oder die Philosophie von Jacques Derrida bezieht, wird nicht explizit erwähnt. Im „Sieben-Punkte-Manifest für die Erkundung des IN“, dem der Entwurf laut der Architekten folgt, klingt so etwas wie die Unmöglichkeit der Überführung des Singulären in ein Allgemeines an: Man will „Architektur befreit von purer Objektivität studieren“. Sie selbst referenzieren den fernöstlichen Schönheitsbegriff des wabi-sabi sowie die italienische Kunstbewegung arte povera. Die Bandbreite der Formgebung zwischen Boolescher Algebra und einem dem Mutterleib nachempfundenen Eingangsbereich ist jedenfalls hinlänglich exzentrisch. (dd)
Fotos: Paul Warchol
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