Der portugiesische Architekt Álvaro Siza Vieira hat in Saint-Jacques-de-la-Lande (Frankreich), einer kleinen bretonischen Gemeinde bei Rennes, eine Kirche gebaut. Zwischen fünfgeschossigen Wohnhäusern und einem kleinen See gelegen, umfasst der Bau neben dem Kirchenraum auch Räume für die Gemeindearbeit. Obgleich die Architektur von zurückhaltender Gestalt ist, strahlt sie – nicht anders als von Siza zu erwarten – gleichermaßen Kraft und Ruhe aus. Das Spiel mit geometrischen Volumen, ihren Schnittmengen und Additionen ist nicht nur von außen lesbar, es entstehen durch diese auch äußerst stimmungsvolle Räume.
Zwei rechteckige Volumen von 12 Metern Höhe werden von einem Zylinder von 14,75 Metern Durchmesser durchschnitten. Im Osten fügen sich die zwei Volumen zu einem Ganzen zusammen, an dem ein Halbzylinder aus Beton angefügt wurde. Im Westen öffnen sich die Volumen zu zwei vom Boden losgelösten Flügeln und formulieren mit dieser Geste den Eingang –Pläne wurden leider nicht veröffentlicht. Im Inneren bildet der Zylinder den Andachtsraum, der Platz für 126 Personen bietet. Eine rechteckige, abgehängte Decke bündelt das Licht effektvoll an den weißen Wänden des Zylinders zu einer Art „Heiligenschein“ und sorgt so für eine sakrale Lichtstimmung.
Weißer Sichtbeton ist das Material der Wahl für die Fassade, die Spuren der Schalung sind deutlich lesbar. Das Innere bestimmt ein Zusammenspiel aus weißen Wänden, warmem Holz – das für das Mobiliar verwendet wurde – und hellem Mamor. Der Marmor bekleidet nicht nur den Boden, sondern wird bis auf 1,10 Meter an der Wand hoch geführt. Ausgeklügelte Details bestimmen die Übergänge zwischen den Materialien wie beispielsweise an den Stufen, deren Kanten für eine bessere Sichtbarkeit aus goldbraunem Mamor gefertigt sind. Auch der elegante Treppenhandlauf wirkt wie aus einem Stück gebogen. Dieses Zusammenspiel der Siza’schen Material- und Detailklaviatur macht das Projekt zu einem fast „klassischen“ Bau des Architekten – im Sinne dessen, das hier weniger eben mehr ist. (as)
Fotograf: Joao Morgado
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Christian Richter | 20.02.2018 16:29 UhrGewagte Materialwahl
Was im sonnigen Süden möglicherweise ein treffende Auswahl an Materialien sein mag, wirkt hier auf den Fotos seltsam deplatziert. Die räumlich durch die tiefe Decke gedrängt wirkende Kirchenmitte lässt im Zusammenspiel mit der äußerst unterkühlten Materialwahl genau die Beruhigung nicht entstehen, die eine solche Ausführung in einem heißen Klima möglicherweise gehabt hätte. Es fröstelt gewaltig. Dazu werden die durchschnittlich 10 Regentage im Monat in der Bretagne schnell zeigen, wieviel Patina diese reduzierte Architektur verträgt. Schönes Haus an falscher Stelle...?