Mit der brasilianischen Hauptstadt Brasília sind zwei Namen der Moderne untrennbar verbunden. Sofort hat man die ikonischen Betonbauten von Oscar Niemeyer und die utopische Planstadt von Lúcio Costa vor Augen. Wenn an diesem Ort nun eine Kirche gebaut wird, die sich aus einfachen geometrischen Volumen zusammensetzt und dazu noch aus Beton besteht, drängt sich der Bezug zwangsläufig auf. Im vergangenen Jahr realisierte das ortsansässige Büro ARQBR Arquitetura e Urbanismo im Großraum von Brasília einen Neubau für die Church Of The Holy Family, auf den genau diese Beschreibung zutrifft. Nur 25 Autominuten braucht es, um von Niemeyers Kathedrale an der zentralen Achse des eigentlichen Regierungsbezirks zu den neuen Kirchenbauten zu gelangen. Der Weg führt über die sogenannte Parkstraße für Industrie und Versorgung, vorbei an zahlreichen Villen und raus aus der Stadt.
Dort befindet sich der Neubau am Rand der mehrspurigen Schnellstraße neben dem ziegelgedeckten Bestandsbau der Kirche. Die Architekt*innen ergänzten das Haus mit einem Ensemble geometrischer Grundformen, zwischen denen sich weite Rasenflächen erstrecken. Von der autobahnähnlichen Straße kommend, werden Besucher*innen von einem schlanken Kampanile begrüßt. Hinter einem schlichten Zaun gelegen, betritt man das Gelände dann auf einem mit Betonplatten ausgestattetem Weg, der geradewegs durch einen flachen Riegel führt. Dahinter lugt das rote Dach des Bestandsgebäudes hervor. Der Riegel selbst wird von einem weit auskragenden Betondach geprägt und beherbergt Nebenfunktionen.
Biegt man auf dem Weg schon vorher nach rechts ab, führt eine Rampe zum Zentrum der Anlage, dem scheibenförmigen Kirchenschiff. Wie das langgestreckte Nebengebäude wurde es in eine leichte Anhöhe gesetzt und scheint dank eines umlaufenden, niedrigen Fensterbands über dem Rasen zu schweben. Drinnen erwartet die Gemeindemitglieder ein weiter, lichtdurchfluteter Raum, der sich halb unter der Geländehöhe befindet. Seine arenaartige Anmutung wird durch die abgeschrägte Außenwand noch verstärkt. Die kreisrunde Decke wird von einer ringförmigen Verglasung im Dach akzentuiert. Dieses ruht auf hohen Fachwerkträgern, die hinter einer großflächigen Akustikdecke verborgen sind.
Hinter dem Altar gelangt man über eine geschwungene Treppe ins Untergeschoss, von dem aus ein unterirdischer Gang hinüber zum Nebengebäude führt. Das vierte Volumen der circa 3.900 Quadratmeter großen Anlage befindet sich hinter dem Kirchenschiff und dient als Gemeindehaus. Doch nicht nur Ort und formale Gestaltung schaffen einen Bezug zu den ikonischen Vorbildern der Moderne – in ihrer Projektbeschreibung zitieren die Architekt*innen Lúcio Costa, der vor dem Bau Brasílias vom weiten Horizont des Ortes begeistert war. Das ist auch dem Entwurf von ARQBR anzumerken. (mh)
Fotos: Joana França
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arcseyler | 14.06.2023 15:48 Uhr............
Ist dieser Raumkult christlich?
Vielleicht noch der heilige Geist, der unserer geistigen Entgrenzung am nächsten kommt. Hier könnten sich auch alle Kirchen einen.