Was können Kirchgemeinden heute tun, um wieder mehr und vor allem jüngere Menschen zu erreichen? Bezahlbaren Wohnraum und soziale Treffpunkte anzubieten, ist sicherlich nicht die schlechteste Idee – vor allem dann, wenn der Gottesdienst direkt nebenan stattfindet. Ein vom finnischen Büro Office for Peripheral Architecture (Seinäjoki) entworfenes Projekt in Vantaa, in der Metropolregion Helsinki gelegen, erprobt genau diese räumliche Situation. Schon vor einigen Jahren konnten Oopeaa eine ähnlich spannende Mischung aus Sakral- und Profanbau in der Stadt Espoo realisieren.
Im schnell wachsenden Stadtbezirk Tikkurila planten die Architekt*innen eine Art sakralen Superblock. Der Auftrag kam von der protestantischen Kirchengemeinde Vantaa und der gemeinnützigen Stiftung HOAS, die Wohnheimplätze für Studierende im Großraum Helsinki anbietet. Mit ihrem Konzept setzten sich Oopeaa zusammen mit dem Generalunternehmer Lujatalo (Espoo) 2017 in einem zweistufigen Auswahlverfahren durch. Zur Teilnahme aufgerufen waren Teams aus einem Architekturbüro und einem Bauunternehmen, um das Projekt gemeinsam mit der Kirchengemeinde als Bauherrin zu realisieren.
Der multifunktionale Komplex, der sich riegelförmig entlang einer Straße zieht und kurz um beide Ecken biegt, umfasst zum einen Kirche und Gemeinderäume auf 3.500 Quadratmetern. Zum anderen integriert er ein mehrgeschossiges, etwa 12.000 Quadratmeter großes Wohngebäude. Das Tikkurila Bethania Housing beherbergt eine Kombination aus 162 Studierendenapartments und 61 bezahlbaren Mietwohnungen, die von kleinen Studios bis zu Familienwohnungen reichen. Hinzu kommen Gemeinschaftseinrichtungen sowie Einzelhandelsflächen und ein Restaurant im Erdgeschoss.
Die drei Funktionen – Kirche, Verwaltung, Wohnen – gehen nahtlos ineinander über: Im südöstlichen Teil des Baukörpers liegen die Wohngeschosse, im nördlichen – direkt gegenüber dem Rathaus von Vantaa – die Gemeinderäume. Sie umfassen nicht nur Büros für 140 Mitarbeiter*innen, sondern auch mehrere Versammlungsräume, ein Café und eine Kinderecke. Dieser Bereich des Gebäudes soll auch als Begegnungszentrum für die gesamte Nachbarschaft dienen.
Die an der Nordostecke platzierte Kirche wiederum verbindet die beiden Teilvolumen. Damit der großmaßstäbliche Neubau nicht erschlagend wirkt, projektierten die Architekt*innen eine in der Höhe variierende Zickzack-Kubatur. Die Dächer fallen zu beiden Seiten des Kirchenteils stark ab, sodass der eigentliche Sakralbau, der wiederum mit spitzer Ecke gen Himmel strebt, besonders hervorgehoben wird.
Um das Gebäude harmonisch in sein Umfeld einzupassen, ließ Ooppea es mit einer durch verschiedene Farbtöne aufgelockerten Backsteinfassade versehen. Weitere prägende Materialien im Innenbereich sind Ortbeton, Holz und Glas. Der Kirchenraum selbst ist ebenfalls multifunktional ausgelegt: Der Hauptsaal fasst 500 Personen und kann bei Bedarf unterteilt werden. Zahlreiche Gemeinschaftseinrichtungen – darunter Mehrzweckräume, Waschküche und ein Innenhof – komplettieren das umfangreiche Nutzungsprogramm. Nicht fehlen darf in Finnland natürlich die gemeinsame Sauna, ganz oben unter dem Dach. (da)
Fotos: Marc Goodwin, Tuomas Uusheimo, Hannu Rytky
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