Sakralität in der Vertikalen, Profanität als horizontaler Kontrapunkt – so lautet der gestalterische Ansatz von Kamm Architekten bei ihrem Entwurf eines Kirchengebäudes für die katholische Gemeinde St. Peter im Stuttgarter Stadtbezirk Bad Canstatt. Nachdem deren Gotteshaus aus den 1970er Jahren mit weitläufig auf dem Grundstück verteiltem Kindergarten und Pfarrbüro baufällig geworden war, entschloss man sich statt einer Sanierung für einen Neubau. Damit konnte die Gemieinde auchden veränderten Bedürfnissen nach einem kleineren und flexiblen Kirchenraum, kurzen Wegen und zeitgemäßen technischen Standards gerecht werden.
Das Stuttgarter Büro gewann den 2015 ausgeschriebenen begrenzten Wettbewerb mit einem Konzept, das Kirche, Gemeindezentrum und Kindertagesstätte in einem Gebäude zusammenführt. Das zweigeschossige quaderförmige Volumen wird vom turmartig erhöhten Kirchenraum überragt, der auf diese Weise einen „signifikanten, städtebaulichen Schlussakzent“ am Ende einer Straße setze, so die Architekten in ihrem Projektbeschrieb. Ein kleiner offener Hof in der Mitte des Gebäudes ist als inneres Zentrum gedacht, das als meditativer Rückzugsort ebenso wie als kommunikativer Treffpunkt dienen kann. Im Obergeschoss öffnet sich der Baukörper hier zu einer Terrasse.
Bei der Materialwahl setzten die Architekten auf Zurückhaltung. Außen findet man eine Hülle aus lehmfarbenen Ziegeln, innen dominieren Sichtbetonoberflächen, geschalt in einer feinen Holzstruktur. Eine Ausnahme bildet der fast quadratische Kirchraum, dessen Wände in strahlendem Weiß verputzt wurden. Elemente und Einbauten aus Lärchenholz schaffen eine Verbindung von Innen- und Außenraum und sorgen an den Fassaden im Zusammenspiel mit dem Mauerwerk für eine warme, ruhige Präsenz. Während die Ostseite von einem durchlaufenden Fensterband durchbrochen wird, treten die drei anderen Fronten kompakter und geschlossener auf. Zum Hof hin öffnen große Verglasungen den Baukörper.
Das Foyer ist mit Sitzmöglichkeiten und Teeküche als zentraler Begegnungsort geplant und dient als gemeinsamer Eingang von Kirche und Kindertagesstätte. Der Sakralraum wird von Osten her indirekt belichtet. Über vier wandhohe Türelemente kann er zum Vorraum geöffnet und somit erweitert werden. Die Seitenapsis mit Sitznischen steht als Ort für Taufe, Marienstatue und Kredenz zur Verfügung. (da)
Fotos: Brigida González
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Ben | 21.05.2019 10:36 UhrKälte
Angesichts der emotionalen Kälte dieses Gebäudes und der ultimativen Funktionalität darf man sich über Kirchenaustritte nicht wundern. Hier wird der Ritus zur bloßen Behauptung. Wie soll in so einer Mehrzweckhalle, bei der man Angst haben muss, dass gleich nach dem Gottesdienst ein Flohmarkt, ein Kraftwerk-Auftritt oder ein Handball-Match stattfindet, noch Spiritualität erlebt werden?