Erst kürzlich berichtete BauNetz über eine Kirche ohne Turm in Nordrhein-Westfalen – im kalabrischen Städtchen Mormanno hingegen steckt die Kirche im Turm. Und auch dieser lässt mit weiten Rundungen über kleeblattförmigem Grundriss zunächst an ein modernes Festungsbauwerk oder Speichergebäude denken. Wäre da nicht das unmissverständliche Symbol des Kreuzes, das die komplette Frontfassade prägt. Entworfen wurde die monolithische Pfarrkirche Santa Maria Goretti – die mit Maria Goretti (1890–1902) einer der jüngsten Heiligen der katholischen Kirche gewidmet ist – von Mario Cucinella Architects aus dem oberitalienischen Bologna. Beauftragt hatte den Neubau mit einer Nutzfläche von 950 Quadratmetern die römisch-katholische Diözese mit Sitz in Cassano all’Jonio.
Das strahlend weiße Gotteshaus aus Beton erhebt sich am nördlichen Rand der auf einem Hügel gelegenen Stadt, von wo aus der Blick über die Berge des Pollino-Nationalparks schweift. Der um sein Zentrum mäandernde Entwurf wurde nicht nur von natürlichen Formen inspiriert, sondern insbesondere auch von der Strenge und Einfachheit der apsidialen Baukörper traditioneller kalabrischer Kirchen und Kapellen: Es scheint, als greifen in Mormanno gleich vier Apsiden ineinander. Betreten wird die Kirche durch einen hohen Einschnitt an der Frontfassade, der Teil des besagten überdimensionalen Kreuzes ist. Des Nachts illuminiert, leuchtet es weithin durch die Dunkelheit.
Im Inneren dominiert die Rauheit der Wände, als deren Gegenpart unter der Decke eine fragile und luftige Installation aus durchscheinendem, weißem Stoff ins Auge sticht. In zahlreiche Falten drappiert, greift sie nicht nur die äußere Form des Baukörpers auf. Vielmehr beziehen sich die Architekt*innen hier eigenen Aussagen zufolge auch auf die Geometrie zweier barocker römischer Kirchen von Francesco Borromini, der San Carlo alle Quattro Fontane und der Sant’Ivo alla Sapienza.
Zum Projekt gehört auch ein neues Pfarrzentrum neben der Kirche, das als eingeschossiger orthogonaler Bau mit begrüntem Dach ausgeführt ist. Es beherbergt einen Gemeindesaal, kirchliche Klassenzimmer und die Wohnräume des Priesters. Alle Bereiche sind um einen bepflanzten Innenhof organisiert. Eine gewellte Dachlinie formuliert dabei einen Übergang von der organischen zur rechtwinkligen Form. Ein Gemeinschaftsgarten ergänzt das Grünkonzept des Komplexes. Zusammen mit Photovoltaik, Biomasseheizung, natürlicher Belüftung und guter Dämmung trägt es dazu bei, dass Energieverbrauch und Wartungsbedarf der Kirche so minimal wie möglich bleiben. (da)
Fotos: Duccio Malagamba
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Colt Seavers | 09.02.2022 15:19 UhrNein danke
Ich hätte eher an Alva Aalto gedacht. Sei's drum, der Entwurfsansatz löst sich in der Außenwirkung des Hauses nicht ein. Die Vorhänge unter der Decke sind zu schwach und unverständlich.