Die Volksrepublik China verfügt zwar durchaus über einige öffentliche Einrichtungen zur Kinderbetreuung, hat seit der Einführung der Ein-Kind-Politik 1979 jedoch vor allem einen massiven Anstieg der privaten Programme zu verzeichnen. Wenngleich private Trägerschaft kein Gütekriterium der dort praktizierten Pädagogik ist, lässt sie sich doch oftmals bereits baulich ablesen. So auch beim Vanke Experimental Kindergarten in Schanghai: Der chinesische Immobilienmogul Vanke hat sich 2014 zum „integrated urban services provider“ gemausert und scheute als Bauherr auch bei diesem Auftrag (zumindest nach außen hin) keine Kosten, um zu verdeutlichen, dass mit dem neuen Kindergarten in die Zukunft des Landes investiert wurde: Der Neubau punktet, trotz einiger unpräzise ausgeführter Details, mit einer verspielten, fantasiefördernden Haptik, die der abwechslungsreichen Form-, Material- und Farbpalette zu verdanken ist.
Atelier Liu Yuyang (Schanghai) realisierte die Kindertagesstätte auf einer schmalen, dreieckigen Restfläche zwischen einem Fluss im Süden, einer hochverdichteten Wohnsiedlung im Norden und einer Brücke im Osten. Die Architekten schalteten vier Volumen hintereinander. Plattformen zum Ausblick auf die Umgebung schaffen Verbindungen. Am Fuß der Hochhaussiedlung entsteht durch die aufgeständerten, dreigeschossigen Bauten zur Straße hin ein kind- und fußgängerechter Maßstab. Vom Fluss aus gesehen erinnern die gereihten Häuser mit ihren gewölbten Dächern an Zugwaggons, die über das Gelände fahren – laut Pressemitteilung eine durchaus gewünschte Assoziation.
Die Linearität einer Eisenbahn setzt sich auch im Inneren fort. Hier führen Korridore mittig entlang der unterschiedlich eingedrehten, nach Nord und Süd orientierten Räume. Durch Aufweitungen, Niveauunterschiede und Versprünge werden die Flure selbst zu Spiel- und Entdeckungsorten: Farbige Öffnungen in der Decke bringen Tageslicht in die drei Atrien. In Kombination mit der indirekten Belichtung durch Glasbausteinwände werden unterschiedliche Raumeindrücke geschaffen. Das Spiel mit Licht, Farbe und Raumgefühl bestimmt auch den Außenraum. Außenliegende Flure, blaue Tartanbahnen und ein sich entlang des Zaunes erstreckender Grünstreifen stehen dort den stark verschatteten Räumen zwischen den Stützen gegenüber. (kms)
Fotos: Zhu Siyu, Chen Hao
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