Im Norden Tschechiens unweit der polnischen Grenze liegt die Stadt Jablonec ad Nisou. Mjölk architecti aus Liberec haben in der rund 45.000 Einwohner*innen zählenden Gemeinde eine Erweiterung für einen Montessori Kindergarten geplant, mit der sie den Ideen der alternativen Lehrmethode nachspüren.
Die durch ihre Pädagogik bekannt gewordene Italienerin Maria Montessori ging unter anderem davon aus, dass nicht das Kind sich der Umgebung anpassen solle, sondern wir die Umgebung dem Kind anpassen sollten. Wie das in der Umsetzung aussehen kann, damit haben sich auch Steve Lawrence und Benjamin Stæhli in ihrem Buch „Montessori Architecture. A Design Instrument for Schools“ beschäftigt. Mjölk greifen in ihrem Projekttext auf Beschreibungen zurück, die an diesen Grundgedanken der Montessori-Pädagogik anzuknüpfen suchen.
Die Architekt*innen schreiben etwa, sie hätten einen Ort schaffen wollen, dessen Hauptfunktion darin bestehe, den Kindern das Gefühl zu vermitteln, dass die Welt ein wunderbarer und lustiger Ort zum Leben sei. Viel zu oft kämen ihnen dabei Normen und Vorschriften in die Quere, die sinnlos erscheinen würden und nicht den Bedürfnissen der Kinder entsprächen. In Tschechien etwa dürfe die Konstruktion nicht als Holzbau umgesetzt werden, so Mjölk.
Als Hauptkriterium für ihren Entwurf nennen sie den Faktor „Spaß“– baulich am augenscheinlichsten in Form einer Rutsche manifestiert, die vom dritten (Zwischen-)Geschoss ins Erdgeschoss hinunterführt. Etwas weniger auffällig tritt der Spaß in Form ungewöhnlicher Erschließung in Erscheinung: Jeweils in einem der beiden Übergänge von Alt- zu Neubau, die sich auf Erdgeschossniveau und im zweiten Stock befinden, dient ein Badezimmer als Durchgangsraum.
Herzstück der Erweiterung ist der große, offen konzipierte Innenraum, der sich über vier Ebenen erstreckt. Die Räume gruppieren sich um ein Treppenhaus, über dem sich ein großes Oberlicht befindet. Durch die Aufteilung in mehrere Zwischenebenen entstehen Nischen, in denen sich die Kinder verstecken oder in die sie sich zurückziehen können. Die verschachtelte, stufenweise Anordnung der offenen Räume erinnert an die von Herman Hertzberger entworfenen Apollo Schools in Amsterdam. Der Verzicht auf Türen und die Nutzung der Böden zum Spielen und Lernen greifen Ideen Montessoris auf.
Vom Erdgeschoss aus gelangt man über einen direkten Zugang auf eine Terrasse, deren massive Betonfläche den darunterliegenden Parkplatz überspannt. Auf dem Dach des Gebäudes gibt es einen weiteren Außenraum, der vom dritten Zwischengeschoss über eine Außentreppe erschlossen wird. Nicht allein die Rutsche, die an einer Gebäudekante sichtbar wird, weist von außen auf die Nutzung des Gebäudes und seinen spielerischen Charakter hin: Der auskragende Kubus weckt Assoziationen an einen Schaukasten, während das metallene Gewebe, das den Baukörper nahezu komplett umhüllt, an ein Netz erinnert, wie es häufig auf Spielplätzen zu finden ist. (dsm)
Fotos: BoysPlayNice
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Auto | 25.04.2023 23:17 UhrFrüh will es gelernt sein...
...die ganze Welt, ein Parkplatz.