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22.08.2019

Buchtipp: Monumentalität der Stille

Kazuo Shinohara. 3 Houses


Manche Bücher liebt man für ihre poetische Kraft, andere für die brillanten theoretischen Ideen, wieder andere für ihre ästhetische Aufmachung. Nur wenige schaffen es, alle diese Aspekte in sich zu vereinen. Gelungen ist dies in der neuen Publikation Kazuo Shinohara. 3 Houses, herausgegeben von Christian Dehli und Andrea Grolimund, die im Quart Verlag erschienen ist.

Poesie: Sie wird getragen von drei Hauptwerken des japanischen Architekten Kazuo Shinohara (1925–2006), dem House in White (1966), dem House in Uehara (1976) und dem House in Yokohama (1984). Diese kleinen Einfamilienhäuser zeigen die lebenslange Auseinandersetzung Shinoharas mit der traditionellen japanischen Architektur, die er souverän in moderne Formensprache zu übersetzen wusste. Sein Ouevre gliedert sich in vier von ihm selbst definierte und durchnummerierte Stile, wobei die drei Häuser (außer für den zweiten Stil) jeweils ein Beispiel liefern. Nehmen wir das House in White: Von außen ist es dem berühmten, wegen seiner Abgelegenheit aber wenig besuchten Jodo-ji Tempel in Ono entlehnt. Der nur durch eine Wand in zwei Bereiche gegliederte Innenraum dagegen zeigt sich als eine höchst elegante Verschmelzung von japanischen und westlichen Wohnformen.

Theorie: Mit David B. Stewart trägt einer der profilierten Spezialisten für die Geschichte der Moderne in Japan im Allgemeinen und der von Kazuo Shinohara im Speziellen einen Essay bei. Er macht anhand der drei Bauten die tiefgreifende, sich über die Jahrzehnte entwickelnde Beschäftigung Shinoharas mit japanischer Baukultur sowie dessen konzeptuelles Verständnis von symbolischem Raum („symbolic space“) greifbar. Dabei schafft es Stewart, dessen Gedanken mit den größeren Zusammenhängen des Diskurses der Moderne in Japan zu verknüpfen. Das als tiefe Verbeugung verfasste Vorwort von Ryue Nishizawa, seines Zeichens Mitbegründer von Sanaa, unterstreicht die nachhaltige Wirkung der subtilen Raumerfindungen und des theoretischen Schaffens Shinoharas auf die nachfolgende Architektengeneration.

Gestaltung: Die mit 30 × 37,5 Zentimeter monumentale, dabei als fadengeheftete Broschur mit schlichtem Coverbild unaufdringliche Publikation kann als kongeniale Übersetzung der Architektur Shinoharas in Buchform gelten. Dabei fordert das Format dem Lesenden eine gewisse Haltung ab – für den Liegestuhl ist diese Lektüre definitiv nicht geeignet. Eine umfassende Auswahl an Plänen, die anhand von originalen Ausführungsplänen wunderschön neu gezeichnet wurden und die Ausmaße von wirklich jedem verwendeten Holzbalken ablesbar werden lassen, sowie unveröffentlichte Skizzen des Architekten und Archivfotografien machen jede Seite zu einem Hochgenuss. Farbe kommt dabei nur höchst sparsam zum Einsatz. Das zweisprachige Buch glänzt sogar auf den japanischen Textseiten, wo die fast verschwenderisch großen Schriftzeichen – selbst wenn man sie nicht lesen kann – eine ästhetische Wirkung entfalten.

Text: Alexander Stumm

Kazuo Shinohara. 3 Houses
Christian Dehli, Andrea Grolimund (Hg.)
212 Seiten
Englisch/Japanisch
Quart, Luzern, 2019
ISBN 978-3-03761-167-8
89 Euro


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Shinoharas House in White von 1966

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Neu gezeichnete Pläne mit genauen Maßen machen ein intensives Studium der Bauten möglich.

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Kolorierte Skizzen von Shinohara bilden die wenigen Farbtupfer im ästhetisch gestalteten Band.

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Cover Kazuo Shinohara. 3 Houses

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