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30.09.2020

Yin und Yang hinter der Baumwollspinnerei

Kantine in Leipzig von Oscar Niemeyer und Harald Kern Architekturatelier


Oscar Niemeyer ist tot, schon seit 2012. Jetzt ist, nach einer siebenjährigen Planungs- und Bauzeit sowie intensiven Abstimmungen zwischen dem brasilianischen Büro Ana Niemeyer in Rio de Janeiro unter Leitung von Jair Valera, dem Harald Kern Architekturatelier vor Ort und einem engagierten Bauherrn einer der letzten Entwürfe Niemeyers Realität geworden – und zwar in Leipzig. Sphere ist ein kugelrunder Anbau im obersten Stockwerk des Alten Kesselhauses aus den 1920er Jahren in einem Fabrikgelände nahe der Leipziger Baumwollspinnerei.

Die aus dem historischen Ziegelbau herausragende Kugel besitzt einen Durchmesser von 12 Metern. Ein für Niemeyer typisches, geschwungenes und strahlend weißes Betonelement wird durch zwei große Glasflächen aufgebrochen, die aus einem geodätischen Stahlmaßwerk mit 147 dreieckigen Scheiben bestehen. Die Tragwerksplanung übernahm das Ingenieurbüro Förster + Sennewald aus München. Wie Yin und Yang kreisen die opaken und transparenten Flächen ineinander. Letztere führen je nach Tageszeit und Wetter zu einer ganz unterschiedlichen Erscheinung des Baus – mal erscheint er als schwarz-weißer Ball, mal als ein von innen glühender Globus.

Die Nutzung des in acht Metern Höhe den Gravitationskräften trotzenden Follys wirkt dagegen nahezu profan. Die Innenräume mit 218 Quadratmetern BGF fungieren als Erweiterung für die Betriebskantine des Maschinenbauunternehmens Kirow, bekannt für Eisenbahnkräne und Schlackentransporter. Im Boden der Kugel verbirgt sich die Haustechnik, darüber eine Bar mit roter Rückwand und auf Äquatorebene schließlich das Restaurant.

Auch wenn es anders aussehen mag: Die gewagte Konstruktion lastet nicht auf dem Bestand, sondern auf dem roten Erschließungsschaft, der sich den Bestand anschmiegt. Über diesen den Schaft erfolgt auch die Erschließung der Sphere. Einen genauen Einblick in das Zusammenspiel von Alt und Neu bietet übrigens unsere Baustellenbegehung von Juni 2018. Das vor allem bei Dämmerung spektakulär wirkende Licht ist geplant von Licht Kunst Licht aus Bonn. Die Dachterrasse erweitert sich auf das flache Vordach des Altbaus. Der Platz für ausgiebige Betriebsmittagsessen ist damit sicher. (stu)

Fotos: Margret Hoppe, Sebastian Stumpf


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