„Aalst tanzt, spielt und liest“ – das klingt nach einem klassischen Slogan fürs Stadtmarketing. Doch der Spruch kommt gar nicht von irgendeiner Landes- oder Stadtregierung. Für das flämische Städtchen Aalst, das unweit von Brüssel liegt, haben sich KAAN Architecten dieses Motto ausgedacht. Das Rotterdamer Büro wird in Aalst eine öffentliche Bibliothek bauen, die direkt an eine Musik- und Theaterschule anschließen wird und beide Gebäude und ihre Funktionen miteinander verschränkt. 2018, zum 100-jährigen Jubiläum der Beendigung des Ersten Weltkrieges – „la Grande Guerre“ für die Belgier – soll der Bau fertig werden.
Trotz seiner klaren, mit der Umgebung kontrastierenden Gebäudeform mit großen rektangulären Fenstereinschnitten fügt sich der zukünftige Neubau in den Kontext ein. Den unregelmäßigen Straßenverlauf der historischen Altstadt von Aalst, wo Straßen sich an Häuserblocks krümmen und als Sackgassen enden, greifen KAAN städtebaulich auf. Die dichte urbane Textur der Stadt ermöglicht kleine öffentliche Freiflächen und ebenso will das Rotterdamer Büro vor dem zukünftigen Klinkerbau zwei neue Plätze schaffen: vor dem Eingang und als Terrasse vorm Bibliotheks-Café. Als Eckbau des entstehenden Lese-Spiel-Tanz-Komplexes wird die historische Pupillenschule von 1860 fungieren. Die geknickte Gebäudefigur der ehemaligen Militäreinrichtung wird den Bau von KAAN zweiseitig rahmen.
In der Pupillenschule wird hauptsächlich das Konservatorium untergebracht werden, in dem Neubau von KAAN die Bibliothek. Doch verbinden die Architekten beide Gebäude räumlich. So steht im Zentrum des Neubaus ein Atrium, um das sich offene Galerien zu den einzelnen Bibliotheksetagen legen. Dieser Lichthof liegt dem Bestand direkt an, dessen Außenwand aus Backstein nun innen das Atrium abgrenzt, aber über Durchgänge geöffnet ist. Teilweise ragen aus der ehemaligen Militärschule geschlossene Balkone in das Atrium hinein. Dies sind transparente, aber akustisch abgedichtete Klassenräume des Konservatoriums. So lesen die einen, während die anderen spielen und tanzen, und schon ist ein Slogan geschaffen. Welch Fügung, dass Architektur und Werberhetorik bei diesem Projekt in Aalst so gut zusammenspielen, denn als Public-Private-Partnership-Projekt ist auch die werbenahe Privatwirtschaft an der Bibliothek beteiligt. (sj)
Zum Thema:
Sakraler Ort oder Erlebnislandschaft? Weitere Bibliotheksbauten in der Baunetzwoche#401 „Artgerechte Buchhaltung“
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