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30.01.2019
Gedenken in Stampflehm
Jüdische Trauerhalle von Waugh Thistleton Architects bei London
Da Gräber auf jüdischen Friedhöfen nicht eingeebnet werden, wird bei Platzmangel, wenn möglich, ein neuer Friedhof für die Gemeinde errichtet. So kam es auch zu der 2017 fertiggestellten, 64.000 Quadratmeter umfassenden Erweiterung des Bushey Friedhofs im englischen Hertfordshire des Architekturbüros Waugh Thistleton Architects (London), die dafür im Herbst 2018 mit dem RIBA National Award ausgezeichnet wurden. Für die Landschaftsarchitektur zeichnet das Londoner Büro J & L Gibbons verantwortlich.
Waugh Thistleton arbeiteten beim Bau der neuen Trauerhalle eng mit der Synagoge zusammen. Da es keine einheitlichen baulichen Gestaltungsvorgaben innerhalb der jüdischen Religion gibt, war es den Architekten wichtig, den Ablauf des jüdisch-orthodoxen Trauerrituals zur Grundlage ihres Entwurfs zu machen. So wurde beispielsweise der Boden der Trauerhalle leicht von Westen nach Osten geneigt, um eine Orientierung nach Jerusalem zu schaffen.
Die Trauergemeinde betritt das Gebäude an der Westseite, prozessiert mit dem Sarg erst durch den Gebetsraum und verlässt ihn anschließend durch die Tür auf der Ostseite zur Beerdingung auf dem Friedhof. Von jedem Punkt der Zeremonie aus sollten kontemplative Ausblicke geschaffen werden, so die Architekten, um eine Verbindung zu der sanft geschwungenen Landschaft, den Baumreihen oder den sich anschließenden Wasserflächen herzustellen.
Die Wände der Pavillons sind aus 50 Zentimeter starkem Stampflehm gefertigt. Die Entscheidung für dieses Material hatte mehrere Gründe: Neben dem niedrigen CO2-Fußabdruck – so beschreibt es Andrew Waugh in einem kurzen Filmbeitrag anlässlich der RIBA-Nominierung – sei ihnen bei der Gestaltung klar gewesen, dass auch die neuen Trauerhallen irgendwann nicht mehr genutzt würden, sobald der neue Friedhof mit Gräbern gefüllt sei. Die Vorstellung, dass die Stampflehmwände quasi in sich zusammenfallen und wieder zu Erde werden können, erschien ihnen nicht nur praktisch, sondern auch eine passende Parallele zum menschlichen Dasein.
Neben dem Stampflehm kamen auch andere natürliche Materialien zum Einsatz, die in ihrer Heterogenität lebendig wirken sollen: Holz – Waugh Thistleton Architects sind für die Nutzung von Holz als Baumaterial wie am Firmensitz vonVitsœ in Lemington Spa bekannt – und handgefertigte Bodenfliesen. Die Innenräume etwa sind mit Paneelen aus englischer Eiche verkleidet, ebenso das Mobiliar. Die Türen wurden aus Cortenstahl gefertigt und nehmen die gedeckte Farbton-Palette auf. Insgesamt sollen gedämpfte Farben und strukturierte Oberflächen die ruhige Atmosphäre des Ortes unterstützen. (kh)
Fotos: Lewis Kahn, Blake Ezra
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Die neuen Gebetshallen sind in die leicht geschwungene Landschaft des Friedhofs eingebettet.
Verwendet wurden Stampflehm, Eichenholz und Cortenstahl.
Wichtiges Gestaltungskriterium war der Ablauf der Trauerzeremonien.
Die Zugänge auf West- und Ostseite liegen in einer Achse und werden im Zuge der Zeremonie durchschritten.
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