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13.05.2022

Take-off TXL

Interview mit der Geschäftsführerin der Tegel Projekt GmbH Gudrun Sack


Seit der neue Hauptstadtflughafen BER 2020 öffnete, ist Schwung in die Umbaupläne am Flughafen Tegel gekommen. Die Flughafengebäude sollen zur Urban Tech Republic werden, einem Bildungs- und Forschungsstandort für bis zu 1.000 Unternehmen und 5.000 Studierende. Neben einem 220 Hektar großen Natur- und Landschaftsschutzgebiet entsteht das Schumacher Quartier mit 5.000 Wohnungen. Seit Mai 2022 ist die Architektin Gudrun Sack Geschäftsführerin der Tegel Projekt GmbH, die als landeseigene Tochter das Projekt voranbringt.

Interview: Florian Heilmeyer

Frau Sack, im August 2021 hat die Tegel Projekt GmbH die Zuständigkeit über das gesamte ehemalige Flughafengelände in Tegel übernommen. Wie weit sind Sie mit den Arbeiten?
Gudrun Sack: Auf großen Teilen des Geländes findet die Kampfmittelräumung statt. Aufgrund der vielen Funde wird das auch noch eine Weile dauern. Für die „Urban Tech Republic“ sind zwei B-Pläne bereits festgesetzt, und die ersten beiden fürs Schumacher Quartier sind fast genehmigungsreif. Hier sollen in Kürze die ersten Ausschreibungen für Konzeptvergaben starten; mit dem Bau der ersten Wohnhäuser könnte dann 2025 begonnen werden. Aber auch die Zwischennutzung der Bestandsgebäude hat begonnen, wir haben erste Mieter aus dem Bereich des autonomen Fahrens. Unser Gelände ist ja noch komplett eingezäunt, das ist ein echter Standortvorteil für uns, weil man auf dem Rollfeld und um die Hangars ganz ungestört das autonome Fahren testen kann.
Aber es sind auch schon Forscher der Hochschule für Technik hier, die unter anderem den 3D-Druck mit Holz erproben. Eine Fassade aus dem 3D-Drucker, die zu 100 Prozent aus Holz besteht, möchten wir gerne als Pilotprojekt im Schumacher Quartier einsetzen. Im ehemaligen Terminal C richten wir das „FUTR-HUT Lab“ ein. Dort vermieten wir Flächen an Forschungsinstitute und Unternehmen, die an Baustoffen der Zukunft arbeiten. Wir werden als Tegel Projekt dort zusätzlich einen Ort für den fachlichen und informellen Austausch rund um zukunftsorientierte Baustoffe und Konstruktionen schaffen. Es ist also schon einiges los.

Es scheint, als habe die immer wieder verschobene Eröffnung des BER den Plänen für Tegel gutgetan. Inzwischen ist eine sehr ambitionierte Planung entstanden. Wurde die Zeit also gut genutzt?
Es ist tatsächlich auf paradoxe Weise ein Vorteil, dass die Tegel Projekt GmbH schon seit 2011 die Planungen vorangetrieben hat. Das haben wir unter anderem auch meinem Vorgänger Philipp Bouteiller zu verdanken, der das Vorhaben über zehn Jahre mit großer Leidenschaft vorangetrieben hat. Jetzt haben wir ein exzellentes, sehr ausgereiftes Set-Up. Das beginnt damit, dass das gesamte 500 Hektar große Gelände im Erbbaurecht beplant wird. Das Gelände bleibt also zusammen und im Eigentum der Stadt. Deswegen können wir hier ein zusammenhängendes LowEx-Netz planen, mit dem das gesamte Projekt energieautark sein wird: Wir nutzen Abwärme der Industrie sowie die Energie der verteilten PV-Anlagen und kleinen Windräder. Dann erfolgen alle unsere Planungen hoch digitalisiert, wir bauen einen kompletten digitalen Zwilling. Wir haben ein innovatives Mobilitätskonzept, realisieren eine digitale Infrastruktur, berücksichtigen Animal-Aided-Design und haben ein sehr fortgeschrittenes Schwammstadtkonzept, bei dem wir für Regenwasser keinen Anschluss an die Kanalisation mehr brauchen. Es wird alleine mit Verdunstung und Versickerung gearbeitet. Das ist es, was die Planungen in Tegel meiner Meinung nach zu einem Vorbildprojekt macht.

Hinzu kommt die Planung eines neuen Wohnquartiers an der östlichen Geländespitze, das Schumacher Quartier mit über 5.000 neuen Wohnungen, Kitas, Schulen, Läden – 
errichtet von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften, Baugruppen und Genossenschaften. Hier war zuletzt von „Europas größtem Holzbauprojekt“ die Rede…
Ich bin nicht so glücklich mit solchen Superlativen. In den USA zum Beispiel wird traditionell sehr viel mit Holz gebaut, da gibt es größere Quartiere. Aber die, die ich kenne, sind niedriger und weniger dicht. In Tegel planen wir aber ein innerstädtisches, urbanes Holzbauquartier. Im Kern haben wir durchgehend eine dichte, vier- bis sechsgeschossige Bebauung mit ein paar höheren Häusern als Hochpunkten. Das ist schon beeindruckend genug, ob es nun einen Superlativ hat oder nicht.

Zuletzt gab es eine wachsende Zahl von hybriden Projekten, die sich selbst als „Holzbauten“ deklarieren, bei denen man aber bei genauerer Betrachtung nur recht wenig Holzanteile findet. Was genau verstehen Sie in Tegel unter „Holzbau“?
Mit dem Fraunhofer-Institut und der TU Berlin haben wir ein Bewertungssystem für die Konzepte entwickelt; je höher der Holzanteil, desto mehr Punkte werden erzielt. Uns ist es wichtig, dass die Decken und nach Möglichkeit auch die Wände aus Holz konstruiert sind, also vor allem die Konstruktion des Rohbaus. Wir arbeiten außerdem an einem Konzept der regionalen Wirtschaftskreisläufe, mit dem wir vor allem – vielleicht sogar ausschließlich – das Kiefernholz aus den Berliner Forsten nutzen wollen.

Könnten denn die Berliner Forsten in absehbarer Zeit genügend Holz liefern?
Ja. Die Berliner Forsten können uns über 10 Jahre jährlich 10.000 bis 20.000 Festmeter liefern. Das ist genug, um das gesamte Schumacher Quartier und nach meinen Vorstellungen auch die Gebäude der angrenzenden Urban Tech Republic aus Holz zu konstruieren. Das ist eine Win-Win-Situation, von der das Schumacher Quartier, aber auch die Forsten profitieren: Denn die Berliner Wälder müssen dringend umgebaut werden. Die vielen Monokulturen sind extrem anfällig für Dürreschäden und Schädlinge. Daher wird die Kiefer teilweise herausgenommen und durch Laubbäume ersetzt. So werden unsere Wälder widerstandsfähiger als sie es derzeit sind.

Lässt sich so eine wirtschaftliche Vorgabe denn in den Ausschreibungen umsetzen?
Daran arbeiten wir. Von Vorteil ist, dass das Schumacher Quartier eine gemeinwohlorientierte Entwicklung im Erbbaurecht ist. Die Partner dort sind zu 50 Prozent die drei großen städtischen Wohnungsbaugesellschaften und die HOWOGE als Entwicklerin für den Schulcampus. Dazu kommen Baugruppen und Baugenossenschaften, die sich über Konzeptverfahren beteiligen können – unter der Prämisse der Eigennutzung.
Durch die Wertschöpfungsketten im Holzbau, die wir derzeit ausschreiben, werden wir den Holzbau in der Region fördern und optimieren. Wir gehen davon aus, dass wir durch diese Prozesse mit kurzen Transportwegen zum einen unabhängiger vom internationalen Holzmarkt werden, zum anderen preisgleich oder sogar günstiger als das konventionelle Bauen sein können.

Im Berliner Koalitionsvertrag ist ja eine neue IBA in dieser Legislaturperiode geplant. Sind nicht die Planungen für das Schumacher Quartier längst zu einer Art Berliner Holzbau-IBA gewachsen?
Berlin TXL mit dem Holzbauquartier, dem LowEx-Netz, der Umnutzung des denkmalgeschützten Gebäudeensembles, den vielen Innovationen und klug aufgesetzten Infrastrukturen setzt um, was derzeit städtebaulich möglich und denkbar ist. Das ist in gewisser Hinsicht einer IBA ähnlich. Was die urbanen, städtebaulichen Strukturen angeht und die Ansprüche an eine umfassende Nachhaltigkeit, sind wir extrem gut aufgestellt und auch international in einer Vorreiterrolle. Wenn es uns gelingt, Berlin TXL mit all diesen umfassenden Ambitionen umzusetzen, sind wir einer IBA sicherlich vergleichbar.


Zum Thema:

Zur Webseite der Tegel Projekt GmbH
Gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner (Hamburg) haben zur Schließung des Flughafens ein Buch veröffentlicht, herausgegeben von Publizist Jürgen Tietz in Zusammenarbeit mit Detlef Jessen-Klingenberg von gmp. 


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Zu den Baunetz Architekt*innen:

gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner


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Die Architektin Gudrun Sack ist seit dem 1. April 2022 alleinige Geschäftsführerin der Tegel Projekt GmbH, die als landeseigene Tochter die Umnutzung des Flughafenareals verantwortet.

Die Architektin Gudrun Sack ist seit dem 1. April 2022 alleinige Geschäftsführerin der Tegel Projekt GmbH, die als landeseigene Tochter die Umnutzung des Flughafenareals verantwortet.

Der stillgelegte Flughafen im Oktober 2021.

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