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20.02.2023

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Das Abbrechen abbrechen

Initiative für den Erhalt des Justizzentrums in München


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Kommendes Jahr zieht das Strafjustizzentrum aus der Nymphenburger Straße in einen Neubau zwischen Olympiapark und Kreativquartier. Der Altbau von 1977 soll abgerissen werden, doch nun regt sich berechtigter Widerstand.

Von Sabina Strambu

Für ein Musikvideo tanzen 13 als Eisbären verkleidete Menschen vor dem alten Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße in München. Mit dieser Aktion ringen sie um Aufmerksamkeit für ein dringendes Umdenken innerhalb der Bau- und Abrisspraxis unserer Zeit. Denn der brutalistische Bau, in dem bedeutende juristische Strafprozesse abgehalten wurden, hat ab voraussichtlich 2024 seinen Dienst getan. Während Nutzer*innen und der Freistaat Bayern als Bestandseigentümer dem Umzug in einen Neubau am Leonrodplatz, rund zwei Kilometer weiter nördlich, entgegenfiebern, stehen alle Zeichen beim maroden Altbau auf Abriss. Doch nun setzen sich verschiedene Gruppierungen und Einzelpersonen aus der Architektur, Urbanistik und Stadtentwicklung „für den Erhalt des Justizzentrums an der Nymphenburgerstraße und seiner Verwandten“ ein.

Anfang des Monats forderten sie in einem Positionspapier den Freistaat und die Landeshauptstadt München auf, das Gebäude zu erhalten und „somit einen vorbildhaften Umgang mit Gebäudebestand zu demonstrieren“. Zu den Erstunterzeichner*innen gehören neben 17 Initiator*innen noch 51 Organisationen und 89 Einzelpersonen. Auf der Liste zu finden sind etwa Architects For Future, die Deutsche Umwelthilfe, der BDA- Landes- und Kreisverband sowie zahlreiche Kollektive und Initiativen, die sich für die Belange von Umwelt und Stadtleben einsetzen. Hinzu kommen Vertreter*innen aus Architekturbüros, Stadtplanung, Kultur, Lehre und Wirtschaft.

Die Forderungen und Vorschläge des Positionspapiers gehen detailliert auf das Strafjustizzentrum ein, lassen sich aber auch auf viele weitere Beispiele übertragen. Sie fordern die politisch Verantwortlichen dazu auf, durch die Umnutzung „einen beispielhaften, kommerzarmen Ort für die Stadt zu schaffen“ und in einen „öffentlichen Dialog über die Zukunft des Gebäudes sowie anderer am Ende ihrer Nutzung stehenden Gebäude zu treten.“ Die Bestrebungen der Stadt, bis 2035 klimaneutral zu sein, eine Pionierin der Kreislaufwirtschaft und eine Stadt ohne Müll werden zu wollen stünden in direktem Widerspruch zum Abrissvorhaben.

Was auf dem Areal an der Nymphenburger Straße / Ecke Sandstraße, zu dem auch ein Gebäude der Staatsanwaltschaft München I an der Linprunstraße gehört, geschehen soll, ist noch offen. Noch im Herbst hieß es in der Süddeutschen Zeitung, die größte Fraktion im Stadtrat aus Grünen/Rosa Liste wünsche bezahlbaren Wohnraum zu errichten. Der Freistaat denke indes über Büros für einen Teil des Innenministeriums nach. Wenn auch noch eine Überplanung des Grundstücks ansteht, könne dies laut SZ angesichts des nahenden Umzugs der jetzigen Nutzerschaft zu einem langwierigen Planungsprozess und somit zu Leerstand führen.

Der Neubau am Leonrodplatz ist derzeit eines der größten Bauprojekte des Freistaats Bayern. Er entsteht nach Plänen des Büros Frick Krüger Nusser Plan2 (München), wird künftig sieben Justizbehörden unter einem Dach vereinen und soll rund 1.300 Beschäftigten Platz bieten. Unter den 54 Sitzungssälen ist hier auch mit 300 Quadratmetern einer der größten Gerichtssäle der Republik geplant. Von zu Baubeginn noch 200 veranschlagten Millionen Euro sind die Kosten inzwischen auf rund 340 Millionen Euro gestiegen.

Zu sparen (und erhalten), was vorhanden ist, ist ein naheliegender Gedanke, nur sehen die wirtschaftlichen Mechanismen heutzutage ganz anders aus. Im 1977 nach Plänen von Peter Kaup – dieser zählt übrigens ebenso zu den Unterzeichnern der Erhaltungsinitiative – errichteten Altbau gab es bereits einige Gründe für Sanierungsmaßnahmen. Von Asbest über technische und hygienische Mängel bis hin zu Schäden in der Bausubstanz ist die Rede. Auch eine Umnutzung würde also weitere Investitionen notwendig machen, die aber – sofern Ökologie endlich ihr wahrer Wert zuerkannt wird – sich in Summe lohnen.

Das Positionspapier rechnet vor, dass im Fall von Abriss und Neubau als Wohnhaus Emissionen von rund 24.000 Tonnen CO2 entstünden. 5.500 Tonnen CO2 wären es bei einer energetischen Sanierung und Umnutzung mit gleichem Zweck. Weiter heißt es, „Umbauen muss zur Norm werden“. Angesichts der Entwicklungen in der Münchner Innenstadt, die vom Druck des Marktes bestimmt sind, fragen sich die Verantwortlichen: „Wo also sollten noch Orte entstehen, die wirklich öffentlich und vielfältig sind?“ Sie schlagen eine Mischnutzung aus Gewerbe, Verwaltung, Kultur und Wohnen vor, letztere ließe der derzeitige Bebauungsplan ab dem dritten Obergeschoss zu.

Ein inzwischen vielfach gefordertes Abrissmoratorium käme hier zur richtigen Zeit.


Zum Thema:

Über Veranstaltungen und Diskussionen zum geforderten Bestandserhalt informiert die Initiative auf abbrechenabbrechen.de


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

14

man kann es kaum glauben | 23.02.2023 15:58 Uhr

erst denken, dann handeln

@schlawuki: Sie waren als erster da, ist klar. Und was hat das alles mit Stuttgart oder SUV´s zu tun? Hoffentlich verstehen Sie sich selbt. Sie werden sicher argumentieren, alles hängt mit allem zusammen. Fein!

@ Aktivist: nichts gegen Aktivisten, es geht auch gar nicht um das aktiv sein, sondern nur darum, das nicht alles aus der Hüfte gefordertes auch irgendwas mit der Realität zu tun haben muss. Gefordert ist schnell, machen sollen es dann die anderen, gell?

13

Aktivist | 22.02.2023 19:22 Uhr

@man kann es kaum glauben

Ja, immer schön draufhauen auf die Aktivisten! Wo war ihr Engagement bei pegida, reichsbürger, querdenker? Ach, da waren sie gerade bestimmt mit ihren tollen Projekten beschäftigt, gönn dir!

12

Modernist | 22.02.2023 14:58 Uhr

@Hubertus Müller

Was mich aber doch interessieren würde, wie sind Sie eigentlich darauf gekommen bei dem Titel Ihres Buches eine dreifach ausgezeichnete Typo zu verwenden, die dann auch noch kursiv ist?

11

Modernist | 22.02.2023 14:54 Uhr

@Hubertus Müller

Die Eigenwerbung für ihr mittelmäßiges Werk nervt.

"Von Modernisten gesteuertes Programm".
Äh, von welcher Querdenkervereinigung stammen Sie denn ab?

10

werker | 21.02.2023 17:36 Uhr

Neubau

Der Neubau 'präsentiert sich als moderner, gläsern-transparenter Bau' - genau das kann man über den Altbau auch sagen. M.E. geben sich die Fotos bzw. die Visualisierungen im Hinblick auch Transparenz und ‘modernsein' wenig.

9

schlawuki | 21.02.2023 16:17 Uhr

@6..

du hast ja sowas von recht!
@6.
--- die im Ergebnis Lösungen erzwingen, die sich den auf Schlagzeilen fokussierten Aktivisten nicht sofort erschließen----
erst neulich wieder musste ich mit meinem bmw x7 ( ist aber hybird!) einen klimaaktivisten vom altstadtring räumen auf meinem weg in die maximiliansstrasse.
weil, und da hast du nochmal recht, das geht nicht.

du, ich musste den kaviar und die schnittchen vom dallmayer holen !
stell dir das mal vor, ich wäre da nicht pünktlich gekommen!
das wäre doch alles schlecht geworden.
wegen so einem..... aktivisten!
also, ich bin froh @6, das wir einer meinung sind.
komm doch mal zu uns nach bayern.
flixbus geht gut direkt zu unserem hauptbahnhof.
den bauen wir gerade neu.
da ist stuttgart 21 ein kindergeburtstag dagegen.
aber das hast du ja noch nicht gespannt.
komm!
dann zeig ichs dir.
hier bei uns in bayern
dein schlawuki

8

Hirsch | 21.02.2023 14:40 Uhr

@ 7 Hubertus Müller

Hinter welchem Mond haben Sie denn gelebt?

Bspw. die Altbauten in Berlin Kreuzberg stehen im wesentlichen nur noch wegen der damaligen Hausbesetzerszene, die eben jenen Abriss zwecks Neubau verhindert hatte. Vll mal die eigenen Scheuklappen durchlüften.

7

Hubertus Müller | 21.02.2023 10:57 Uhr

Das Abbrechen abbrechen

Merkwürdig: während weiter bei wertvollster Altbausubstanz aus der Gründerzeit und davor Abreiß-Genehmigungen ohne Gegenproteste erteilt werden, gibt es bei den überdimensionierten Hässlichkeiten der 60er und 70er Jahre plötzlich die 'öklogisch' begründeten unüberhörbaren Aufschreie des Protests. Das scheint mir ein von den Modernisten gesteuertes Progamm zu sein. Ästheik bleibt damit weiter auf der Strecke. Mehr in meinem Buch 'ARCHITEKTUR FÜR DEN MENSCHEN? Eine Wahrnehmungsschule am Beispiel Berlin', EuropaBuch Verlag

6

man kann es kaum glauben, | 21.02.2023 08:50 Uhr

aber

sogar in Bayern gibt es Menschen, die jenseits des Klischees in den Köpfen der "bayernden" Kommentatoren auch hüber die ach so innovativen Möglichkeiten des Bestandserhaltes nachdenken. Und zwar bevor sich irgendwelche Initiativen/Bürgerbewegungen Slogans auf Fahnen schreiben und so tun, als wäre sie die, die als erste mit solchen herausragenden Ideen aufwarten.
In der Realität müssen dummerweise auch komplexere Sachverhalte beachtet werden (Schadstoffe, Statik, Kosten...) die im Ergebnis Lösungen erzwingen, die sich den auf Schlagzeilen fokussierten Aktivisten nicht sofort erschließen. Echt schade...

5

schlawuki | 20.02.2023 19:42 Uhr

breit

genau gegenüber in der linprunstrasse hat man ein 7 geschossiges Bürogebäude entkernt und umgenutzt zu wohnungen für staatsbedienstete.
das ergebnis wirkt vielleicht leicht gequält und überdesigned und ist mit sicherheit nicht weniger aufwendig als ein neubau.
aber für bayrische breitschädelverhältnisse enorm richtungsweisend.
nix für unguad....

4

auch ein | 20.02.2023 17:43 Uhr

architekt

@herr schoppe:

DAS eben grade nicht!

die akzeptanz und das "oha das geht ja doch" hängt sehr von akzeptanz im gemeinwesen ab!

und das bekommt man nicht mit einem vermüllten verbastelten kollektiv-slum 2.0 hin den mann dann wegen echter schäden in 5 jahren doch noch abreisst.

GERADE DA braucht es saubere planung!

3

Hinrich Schoppe | 20.02.2023 16:35 Uhr

Beton für Betonköpfe

Eine überfällige Aktion.
Leider unwahrscheinlich, dass ausgerechnet das Land Bayern durch Umdenken hervortut, aber man weiß ja nie.
Das Land hat in seiner Geschichte schon genug Kapriolen geschlagen und Brauchtum mit Hochtechnologie zu vereinen gewusst.
Warum also nicht auch hier?

Völlig egal, ob einem der Koloss gefällt oder nicht:
- Normen erstmal vergessen.
- Was braucht es wirklich?
- Das dann machen.
- Das Haus den Menschen übergeben, die es können
und wollen, Baugruppen, Familien mit Kindern,
Flüchtlingen, Kreativen...
- Selbstbau ist Trumpf ! Was in Südamerika klappt,
klappt auch hier. Mit Geld kann jeder, darüber
hinaus wird es nachhaltig und verantwortlich.

Und wenns goarnet weiterwuist, froagst halt den Nagler Florian, der soagts Eich wies geit.

Danke!

2

Latimer | 20.02.2023 16:09 Uhr

Abbrechen abbrechen

München ist besonders gut darin, große Worte für die Bekämpfung des Klimawandels zu schwingen, am Ende aber wenig bis ganz einfach "nichts" dafür zu tun.
Nach der Peinlichkeit mit der Behauptung "Fahrradhauptstadt" sein zu wollen (ein selbstverliehener Titel, denn man nach allzu offensichtlichem Scheitern, immerhin selbst zu Grabe trug), will die "nördlichste Stadt Italiens" anscheinend auch beim "Kampf gegen den Klimawandel" als peinlicher Blasebalg auffallen.

1

auch ein | 20.02.2023 16:05 Uhr

architekt

lasst mal die studenten ran, die machen euch umsonst super vorschläge!

bei den raumhöhen sollten gute wohnungen machbar sein, mischnutzungen, etc etc

 
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Die Initiative setzt sich unter dem Slogan "Das Abbrechen abbrechen" für den Erhalt des alten Justizzentrums an der Nymphenburger Straße ein.

Der langgezogene Altbau mit der von Sichtbeton, Stahl und Glas geprägten Fassade kostete zum Zeitpunkt seiner Errichtung rund 100 Millionen Deutsche Mark; Foto: Bubo, CCBY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Der langgezogene Altbau mit der von Sichtbeton, Stahl und Glas geprägten Fassade kostete zum Zeitpunkt seiner Errichtung rund 100 Millionen Deutsche Mark; Foto: Bubo, CCBY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Das bald fertige Justizzentrum am Leonrodplatz, das voraussichtlich 2024 bezogen werden kann, präsentiert sich als moderner, gläsern-transparenter Bau.

Das bald fertige Justizzentrum am Leonrodplatz, das voraussichtlich 2024 bezogen werden kann, präsentiert sich als moderner, gläsern-transparenter Bau.


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