Berlin-Mitte, Fischerinsel, Petriplatz. Mindestens fünf mal wurde hier, im Zentrum des mittelalterlichen Cölln, die 1237 erstmals urkundlich erwähnte Petrikirche wieder aufgebaut. 1964 trug die DDR-Regierung die im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigte, letzte Kirche an der Stelle ab. Gestern wurde auf dem seitdem planierten Grundstück zwischen Spree und Kupfergraben ein hölzerner Pavillon eingeweiht. Erbaut nach Plänen von
Kuehn Malvezzi (Berlin), steht der Pavillon an dem Ort, an dem zukünftig auf den historischen Kirchenfundamenten das abrahamitische Bet-und Lehrhaus
House of One entstehen soll.
Der eigens zu diesem Zweck gegründete Bet- und Lehrhaus Petriplatz Berlin e.V, eine Initiative aus der evangelischen Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien, der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, dem Rabbinerseminar Abraham-Geiger-Kolleg und der muslimischen Dialoginitiative Forum Dialog e.V. will mit dem Projekt die drei monotheistischen Weltreligionen unter einem Dach vereinen. Den
internationalen Realisierungswettbewerb, den der Verein 2012 ausgelobt hatte, gewannen Kuehn Malvezzi im September desselben Jahres. Sie setzten sich mit dem Entwurf eines massiven Baukörpers, der nach Außen hin auf jegliche religiöse Symbolik verzichet, gegen die Konkurrenten Riepl Riepl (Linz),
Wandel Hoefer Lorch (Saarbrücken) und Schultes/Frank (Berlin) durch.
In Inneren des Sakralbaus sollen Judentum, Islam und Christentum je einen autonomen Betraum erhalten, die sich jedoch zu einem gemeinsamen Einraum hin öffnen lassen. Der aus Holzpfeilern errichtete Pavillon orientiert sich in Dimension und Struktur nahezu eins zu eins an diesem gemeinschaftlich genutzten Raum des House of One. Er soll, als temporäre Vorwegnahme des auch „Stadtloggia“ genannten Herzstücks des zukünftigen Baus, das Zentrum eines Gartens darstellen, in dem über die Nutzungsdauer die Grundstrukturen von Moschee, Synagoge und ökumenischer Kirche ablesbar werden sollen.
Der Pavillon stand im vergangenen Jahr bereits in Lutherstadt Wittenberg, um dort während der „Weltausstellung Reformationstag“ für das Projekt in Berlin zu werben. Nun wurde er zu Informationszwecken und als beheizbarer Veranstaltungsraum am Petriplatz wieder aufgebaut. Der Verein erhofft sich durch das temporäre Bauwerk mehr Sichtbarkeit für sein durch Spendengelder und Drittmittel finanziertes Projekt. Die Grundsteinlegung ist für 2019 geplant. Bis dahin sollen 12 Millionen Euro zusammengekommen sein. Ein Datum zur Fertigstellung ist noch nicht anvisiert – die weiteren Bauphasen des von der Stiftung auf 43 Millionen Euro geschätzten House of One werden sukzessive durch Crowdfunding ermöglicht.
(kms)
Fotos: Ulrich Schwarz, Berlin, Stiftung House of One
Zum Thema:
Zum Crowdfunding des House of One: www.house-of-one.org
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peter | 31.01.2018 11:41 UhrHoO
ein wirklich beeindruckendes und wichtiges projekt, noch dazu ein sehr schöner entwurf. ich finde es eher schade, dass es so unterfinanziert zu sein scheint, dass es bislang nur in sehr kleinen schritten vorangeht. andererseits ist es ein projekt, dass vielleicht "von unten" kommen und finanziert werden muss - wenn der bund, der vatikan, die landeskirchen, der staat israel und der saudische prinz je ein fünftel der bausumme spendieren würden (was ihnen allen sicher nicht schwer fiele), wäre am petriplatz vielleicht die spannung raus (und zudem noch der weltfrieden in für manch beteiligten unterwünschter reichweite).
das ist das hundertmal bessere holocaust-mahnmal - ein lebendes denkmal für die (auch religiöse) brüderlichkeit, die unserer welt oft so sehr abhanden gekommen ist.
@jens: die kleinflammennörgelei verstehe ich nicht. hätten km für das foto lieber "bunte" leute von der straße holen sollen? soviel abstraktionsvermögen haben wir sicher alle, uns da auch anders aussehende menschen im rendering vorzustellen. am ende ist es die sache der imame, pfarrer und rabbiner, die gläubigen ihrer gemeinden für das haus zu begeistern und mit ihnen den (wahrscheinlich nicht einfachen) weg der brüderlichkeit zu gehen. das setzt viel innere stärke und weisheit aller beteiligten voraus, die aber andererseits im glauben zu erreichen auch ziel jedes gläubigen (und daher letztlich erreichbar) sein sollte.
viel glück dem projekt!
wir brauchen es!