Auch junge Industriegebäude lassen sich gut umnutzen und umbauen. Im niederbayerischen Mallersdorf-Pfaffenberg transformieren die Münchner Architekten Neumann & Heinsdorff das Gewerbegrundstück eines Elektrounternehmens in ein kulturelles Zentrum. Als erster Baustein dazu wurde vor kurzem das „Haus der Generationen“ fertig gestellt, der Umbau einer ehemaligen Produktionshalle aus dem Jahr 1985 zu einer Mehrzweckhalle für Feste, Veranstaltungen und andere gemeinschaftliche Nutzungen (siehe BauNetz-Meldung zum Spatenstich vom 4. April 2011).
Das Gebäude gruppiert sich mit weiteren geplanten Neubauten wie z.B. einem neuem Rathaus locker um einen zentralen neuen Platz. Dieser erstreckt sich senkrecht zur Hauptstraße und nimmt den leichten Höhensprung im Gelände mit einer Freitreppe auf. Um dem zweigeteilten Platz die städtebaulich notwendige Kraft auch ohne die weiteren, zukünftigen Bauabschnitte zu verleihen, haben die Architekten ihm einen Rahmen aus Ortbeton gegeben, der sich von einer flächenbündigen Einfassung der Platzfläche bis zu einer Sitzbank und damit einer räumlich wirksamen Begrenzung erhebt. Die notwendigen Parkplätze werden in zwei kleineren Einheiten untergebracht, die in die grüne Wiesenlandschaft eingestreut sind.
Vorgabe für den Umbau war die wesentliche Erhaltung der zweigeschossigen Industriehalle mit samt ihrem Betonskelett im Untergeschoss und der Stahlrahmenkonstruktion im Erdgeschoss. Die Architekten haben in einem ersten Schritt den Bestand bis auf die Haupttragkonstruktion rückgebaut. In einem zweiten Schritt wurden die bestehenden Stahlrahmen zur Aufnahme der neuen Ausbaulasten für haustechnische Installationen mit einem Fachwerkträger aufgestockt. Durch Herausschneiden eines großen Feldes in der Betondecke wurde ein zweigeschossiges Foyer mit Eingängen zu den beiden Ortsteilen Pfaffenberg und Mallersdorf geschaffen und ein Anbau zur Aufnahme des Mehrgenerationenbereichs errichtet.
Auf diese Weise konnten die Architekten das stützenfreie obere Geschoss weitgehend von Einbauten freihalten: ein eingestellter Kubus für die Bühne und ihre Nebenflächen, sowie zwei weitere Boxen, die die großen, raumteilenden Schiebetore aufnehmen sind die einzige Einbauten. Die verschiedenen Nutzungen des Gebäudes als Bürgersaal mit 300 bis 800 Personen, als freie Messehalle oder Tagungsbereich lassen sich durch unterschiedliche Positionen der Trennwände und Schiebetore leicht realisieren.
Mit ihrer Materialwahl führen Neumann & Heinsdorff die örtlichen Gegebenheiten weiter: Der Industriefußboden der Halle wurde erneuert, und im Untergeschoss wurden alte und neue Bauteile durch einen weißen Anstrich zu einer Einheit verwoben; die Stahlkonstruktion sowie die technischen Einbauten wurden mit einem dunklen Anstrich versehen.
Speziell hergestellte Lichttrichter leiten das Tages- und Kunstlicht durch die Installationsebene und bilden eine horizontale Lichtdecke. Die möbelartigen, hölzeren Einbauten für Bühne, Türen und Tore und Theken sollen einen Kontrast zum Bestand darstellen. Ein geschosshoher Sockel aus Mauerwerk wird zur Basis des neuen Gebäudes; die hinterlüftete Holzfassade mit einer Tragkonstruktion aus Massivholzplatten bildet die Außenhaut des oberen Stockwerks.
Die vormals introvertierte Industriehalle öffnet sich heute mit dem umlaufendenden Fensterband zur Umgebung, so dass die Besucher in der Halle ebenso wie von der großen Terrasse den Blick ins Tal der kleinen Laber genießen können. Die Metalllamellen vor den Fenstern schützen vor allzu neugierigen Blicken und verbinden das Haus der Generationen zu einer gestalterischen Einheit. Die Kosten für den Umbau werden mit 7,3 Millionen Euro angegeben.
Fotos: Stefan Müller-Naumann
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peter | 16.09.2012 20:24 Uhrachtziger reloaded
ich kenne leute, die damals auch an dem wettbewerb teilgenommen haben und es, soweit ich mich erinnere, nicht leicht mit dem thema hatten.
umso mehr überzeugt mich die hier gezeigte gebaute wirklichkeit. wow. da ist aus einem bau voller zwänge, mit einem niedrigen saal und anderen schwierigkeiten architektur entstanden, der man ihre vergangenheit auf den ersten blick überhaupt nicht ansieht.
hier ist ein sehr hochwertiges haus entstanden, wie es durchaus auch im diesjährigen deutschen biennale-pavillon in venedig hätte gezeigt werden können.