Im Jahr 2015 hat die Redaktion der Schweizer Architektur- und Designzeitschrift Hochparterre die Rubrik „Rückspiegel“ ins Leben gerufen. Auf der letzten Seite des monatlich erscheinenden Heftes lernen die Leser*innen seitdem Persönlichkeiten kennen, die auf ein langes Leben zurückblicken – und auf eine bisweilen beeindruckende Karriere. Ihre Lebenswege sind als Gesprächsprotokoll jeweils auf übersichtliche 3.600 Zeichen kondensiert. „Unsere Alten“, nennt sie die Redaktion liebevoll, denn sie sind zwischen 1924 und 1943 geboren. 40 Portraits aus den vergangenen fünf Jahren fasst nun der vorliegende Band zusammen.
Und wie es so ist mit Serien in Zeitschriften, die irgendwann als Buch erscheinen, erlauben sie Vergleiche und Querverbindungen. Es geht um eine Generation von Ingenieuren, Designerinnen, Architektinnen und Landschaftsarchitekten, die in einer Zeit Karriere machte, in der längst nicht jeder Winkel des Daseins medial ausgeleuchtet war. 26 Männer und 14 Frauen erzählen von ihrer Kindheit, ihren Lehrern und Vorbildern, von den Wegkreuzungen ihrer Biographien und den Orten, an denen sie studierten. Sie erzählen vom Vorbild Amerika, von der Ölkrise 1973, den Sehnsuchtsorten Paris und Mailand. Auch Autos kommen immer wieder vor, sie spielten in jenen Jahrzehnten bekanntlich eine große Rolle.
Dabei ist zum Beispiel Arthur Rüegg, der Corbusierkenner und Restaurator des Zürcher Corbusier-Hauses für Heidi Weber. Oder Jaques Blumer, Partner bei Atelier 5, der den Jungen rät, ins Ausland zu gehen und etwas Neues zu erfinden, anstatt ihre Karriere zu planen. Aber auch Paare, die ihre Leben lang zusammen gearbeitet haben, wie Trix und Robert Haussmann oder Esther und Rudolf Guyer, die im Büro immer einander gegenüber saßen, Ingenieure wie der Kraftwerksplaner Rudolf Mettler-Stüssi, der inzwischen verstorbene Brückenbauingenieur Christian Menn und die Grafikerin Lora Lamm. Sie erinnert sich an ihre Zeit in den USA und daran, dass sie als blonde Frau in Mailand nicht im Atelier der männlichen Grafiker arbeiten durfte.
Das Buch deckt keine Intimitäten auf. Im Gegenteil: Es sei nicht immer einfach gewesen, die vielen Fakten und Nebenwege eines langen Lebens auf eine Essenz zu reduzieren, manche Recherchen seien gar stecken geblieben, weil sich die Betreffenden nicht wiederfanden in der Kürze der Worte oder verstarben, heißt es im Vorwort. Insofern darf man dankbar sein für die Geduld und Neugier der Autor*innen und ihre aufwendige journalistische Arbeit, das Wissen der Alten und ihre Sicht auf die heutige Zeit für uns festzuhalten.
Text: Friederike Meyer
Im Rückspiegel.
Gestalterinnen und Gestalter erzählen ihr Leben
Axel Simon (Hg.) mit Fotografien von Urs Walder
176 Seiten
Edition Hochparterre, Zürich 2020
ISBN 978-3-909928-56-9
39 CHF