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19.12.2024
Wir haben ökologische Ziele
Im Gespräch mit Bauakademie-Stiftungsdirektor Guido Spars
Mit der Aufgabe, die Wiedererrichtung der Schinkelschen Bauakademie in Berlin umzusetzen, wurde im Januar 2019 die Bundesstiftung Bauakademie gegründet. Vorige Woche wurde bekannt, dass ihr Gründungsdirektor Guido Spars seinen Vertrag nicht verlängern wird. Mit BauNetz sprach er über das Ego-Denken der Gewerke, Potenziale des seriellen Bauens und Vorgaben für den seit Jahren erwarteten Wettbewerb.
Interview: Friederike Meyer
Herr Spars, Sie sind seit September 2021 Direktor der Bundesstiftung Bauakademie. Sie hatten sich für das Amt mit einem Konzept beworben, das auf die Wertschöpfungskette im Bauen fokussiert. Was haben Sie erreicht?
Guido Spars: Anfangs war es wichtig, ein inhaltliches Fundament und Strukturen zu schaffen, die auf Dauer angelegt sind. Die Stiftung soll in erster Linie eine Vermittlungsfunktion übernehmen zwischen den Akteuren aus Politik, Bauwirtschaft und allen dazwischen. Sie müssen ja die anstehenden Transformationsaufgaben alle gemeinsam umsetzen. Eine Stiftung kann hierfür eine neutrale Plattform und ein offenes Ohr bieten. Aber ihre Arbeit musste erst einmal etabliert werden. Wir haben zum Beispiel einen Beirat aus über 30 Stakeholdern aufgestellt, wir veranstalten regelmäßige Transformationsdialoge mit Praktikerinnen und Praktikern, leiten den Runden Tisch zum seriellen, modularen und systemischen Bauen und bereiten ein Förderprogramm für innovative Bauwende-Projekte vor. Natürlich ging es auch um Personalaufbau. Wir sind inzwischen 24 Mitarbeitende. Das wichtigste Element ist jedoch das zehnjährige Entwicklungskonzept der Stiftung, in dem die wachsenden Aufgaben und ihre strategische Ausrichtung vorgedacht wurden.
Zu Anfang hieß es, die Bauakademie soll auch eine forschende Institution werden.
Es forschen ja schon sehr viele. Die Stiftung will die Forschungserkenntnisse in die Praxis tragen. Wir haben kein Erkenntnisproblem bei der Transformation, wir haben ein Umsetzungsproblem. Das geht von der Digitalisierung über Kreislaufwirtschaft, Bauweisen, Technologien bis hin zur Quartiersentwicklung und Ressourceneffizienz. Wir versuchen deshalb Reallabore zu initiieren, um zu zeigen, wie erfolgreich umgesetzt werden kann. Wir müssen die Wertschöpfungskette Bau zusammen- und miteinander ins Gespräch bringen. Das ist die Kunst und das ist das Problem.
Welches Problem genau?
Das Problem liegt in der Übermittlung der richtigen Information und in der mangelnden Bereitschaft zum Ausprobieren von neuen Dingen. Die Praxis befindet sich in einer Krise. Jetzt könnte man sagen, das ist die Chance, um Neues auszuprobieren. Aber wir haben eine fragmentierte Wertschöpfungskette, in der viele Gewerke nur für sich denken. Einige Akteure spekulieren in der Projektentwicklung von Beginn an auf Nachträge, das sogenannte Claimmanagement, damit sich der Auftrag für sie rechnet. Ihr Gedanke ist also nicht, wie sie zusammen etwas Tolles schaffen können, sondern wie sie das Projekt teilausbeuten können. Das ist ein Kernproblem der kleinteiligen Planungs- und Baubranche: Man zieht nicht an einem Strang. Da setzt die Stiftung an.
Woran wird die Arbeit der Stiftung sichtbar?
Zum Beispiel am runden Tisch zum seriellen, modularen und systemischen Bauen. Daran kann man sehr schön die Arbeitsweise der Stiftung erkennen. Damit wollen wir die Geschwindigkeit beim Bauen voranbringen. Es gibt viele administrative Hemmnisse, wie z. B. mangelnde Erfahrungen öffentlicher Vergabestellen mit der funktionalen Leistungsausschreibung. Deshalb findet serielles und modulares Bauen kaum statt. Am runden Tisch und in den zugehörigen Working Groups sind über 200 privatwirtschaftliche Akteure aufeinander zugegangen und der eine oder andere hat auch mal eine Kröte schlucken müssen. Nun liegen 39 Maßnahmen auf dem Tisch, die Hindernisse und Probleme abbauen sollen und derzeit bereits umgesetzt werden. Es gibt die Lenkungsgruppe als Entscheidungsgremium, in dem sitzen circa 40 Verbände und Initiativen. Der runde Tisch ist für uns ein super Erfolg.
Das klingt nach Vermittlungsarbeit im Hintergrund. Gleichwohl will die Öffentlichkeit mehr als drei Jahre nach Arbeitsbeginn Ergebnisse sehen – Bilder, Best Practices.
Es gibt unsere Veranstaltungen, die Transformationsdialoge, die man auch im Netz verfolgen kann. Dabei diskutieren die Gäste immer jeweils über drei gute Beispiele. Wir hätten auch gerne mehr Orte, an denen etwas stattfindet. Gleichwohl hat sich unter der inzwischen aufgelösten Regierung die Haushaltslage verändert. Darunter leidet natürlich auch eine Bundesstiftung. Wir haben im Auftrag des BMWSB gemeinsam mit dem BBSR ein Förderprogramm über 50 Millionen Euro für Reallabore und Bauwende-Pilotprojekte aufgelegt. In der Stiftung liegen über 100 Anträge. Wenn es losgeht, hätten wir 15 bis 20 konkrete Bauvorhaben mit Innovationscharakter. Allerdings müssen wir nun warten, bis die nächste Regierung einen neuen Haushalt inklusive dieses Förderprogramms beschließt.
Wie abhängig ist die Stiftung von der Politik?
Wir sind eine Stiftung aus dem Herzen des deutschen Parlaments. Bei uns sitzen alle Fraktionen im Stiftungsrat. Auch das Auswärtige Amt und das Finanzministerium sind vertreten, das Bundesbauministerium, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, das Land Berlin. Wir sind kein verlängerter Arm des Ministeriums, machen keine Parteipolitik. Andersherum hat das Bundesbauministerium ein ehrliches Interesse zu erfahren, wie es die Rahmenbedingungen für diese Branche verbessern kann und schätzt unser Ohr an der Branche.
Wie grenzt sich die Bundesstiftung Bauakademie von der Bundesstiftung Baukultur ab?
Im Abstimmungsprozess mit den Vorständen beider Stiftungen, den Stiftungsratsvorsitzenden Staatsekretärin Elisabeth Kaiser (SPD) für die Bundesstiftung Baukultur und Staatssekretär Sören Bartol (SPD) für uns, haben wir eine Arbeitsteilung gemeinsam definiert. Die Bundesstiftung Baukultur ist mit ihren Baukulturberichten eher auf der Metaebene der Themen unterwegs. Die Bundesstiftung Bauakademie versucht mit Akteuren aus der Praxis Prozesse an der Basis zu verändern.
Aufgabe der im Januar 2019 gegründeten Bundesstiftung Bauakademie ist die Wiedererrichtung der Bauakademie. Seit inzwischen sechs Jahren wird über das Wie und die entsprechende Formulierung in der Wettbewerbsauslobung gestritten. Wieviel Rekonstruktion soll diese vorgeben, wieviel Experiment ermöglichen? Wäre es nicht sinnvoller die damals bereitgestellten 60 Millionen Euro für mehrere Reallabore auszugeben und die Bauakademie quasi dezentral zu verorten?
Die Bauakademie soll wiedererrichtet werden. Das ist der Auftrag und den verfolgen wir wirklich sehr, sehr ernst. Aber es ist ein komplexer Auftrag, weil viele Akteure mitreden und viele Fragen im Vorfeld geklärt werden müssen. Ich bin jedoch zuversichtlich. Mit der Vorbereitung der Auslobung sind wir ein gutes Stück weitergekommen. Außerdem braucht die Stiftung einen Ort, an dem sie aktiv sein kann. Und zwar mit Flächen, die sich an die Öffentlichkeit wenden. Es soll dort Ausstellungen geben, Kongresse, eine Kinder und Jugendakademie, ein Café. Es soll ein Ort für die Branchen des Planens und Bauens sein. Alle sollen in diesem Haus ein- und ausgehen können.
Die Abgeordneten des Berliner Senats haben Anfang Dezember über eine schon länger bekannte Haltung der Regierungskoalition abgestimmt: Wenn im Wettbewerb keine historische Fassade von Karl Friedrich Schinkel gewinnt, blockiert Berlin die Umsetzung durch eine Gestaltungssatzung. Kurz darauf kam die Pressemitteilung der Stiftung, dass Sie Ihren Vertrag nicht verlängern werden.
Dieses zeitliche Zusammenfallen war nicht geplant. Mein Entscheidung ist schon Wochen alt. Was CDU und SPD im Abgeordnetenhaus beschlossen haben, wurde mit uns in Vorgesprächen als gemeinsame Linie entwickelt. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die historischen Fassaden an drei Seiten rekonstruiert werden sollen.
Also wie beim Humboldtforum?
Die Frage ist ja: Was heißt Rekonstruktion? Es wird nicht 1:1 rekonstruiert werden können, allein aufgrund des gültigen Baurechts. Eine Hochparterreerschließung wäre zum Beispiel nicht barrierefrei. Schlitze im dritten Obergeschoss würden zu wenig Licht in die Arbeitsräume lassen. Das Abgeordnetenhaus hat entschieden, dass die vierte Seite der Fassade geöffnet werden kann für eine nicht historische Fassade. Für mich ist das jetzt nicht unbedingt eine gute Lösung. Aber sie gibt dem Wettbewerb etwas mehr Spielraum, was grundsätzlich zu begrüßen ist.
Für die Vorbereitung des Wettbewerbs haben Sie einen Think Tank etabliert, der deutlich Position für einen in die Zukunft weisenden Neubau bezogen hat.
Der Think Tank hat bei der Senatsbauverwaltung stattgefunden, auch Befürworter der 1:1-Rekonstruktion saßen dabei. In der ersten Sitzung platzte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt quasi mit dem Androhen der Gestaltungsverordnung in den Raum. Das hat den Diskussionsprozess auf die Fassadendebatte verkürzt und dem Gremium auch ein bisschen den Schwung genommen. Das Land Berlin hat sich klar positioniert und ist als Genehmigungsbehörde relevant. Also haben wir uns aufeinander zu bewegt. Dieser Kompromiss, der sich jetzt andeutet, reflektiert genau das. Es ist der Versuch, ein Gebäude zu rekonstruieren, das klar erkennbar ein Schinkel ist aber auch ein Demonstrationsprojekt für die ökologischen Ziele eines Bundesbaus. Wir hoffen, dass die Teams im Wettbewerb zeigen, dass man Vergangenheit und Zukunft gut miteinander verbinden kann.
Was wünschen Sie sich im Namen der Stiftung für den Wettbewerb?
Wir haben wichtige ökologische Ziele. Das heißt, das Gebäude muss so gebaut werden, dass sowohl beim Bau als auch beim Betrieb eine bestimmte Menge an CO2 nicht überschritten wird, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Wir wollen eine BIM-fähige Planung und innovative technologische Ansätze. Das Haus soll von allen Seiten zugänglich sein und die Geschichte des Ortes würdigen. Dazu gehört nicht nur Schinkel, sondern beipielsweise auch die Zeitschicht des DDR-Außenministeriums. Wir wollen einen zweistufigen, möglichst niederschwelligen Wettbewerb, so dass auch junge Teams teilnehmen können. Ich fände es toll, wenn es uns gelingt, ein Low Tech-Gebäude zu errichten. Also die Stiftung hat ihre Hausaufgaben gemacht. Wir warten quasi wirklich auf…
…den Ausgang der Neuwahlen ?
Man wird auch einen Beschluss des Haushaltsausschusses brauchen.
Ihr Vertrag läuft noch bis August 2025. Was machen Sie dann?
Ich gehe zurück an meinen Lehrstuhl an der Bergischen Universität Wuppertal. Dort werde ich mich mit neuem Fokus den wissenschaftlich-strategischen Fragen der Transformationsforschung widmen und u. a. eine wichtige Rolle im Vorstand des Zentrums für Transformationsforschung und Nachhaltigkeit (transzent) übernehmen, einer gemeinsamen Forschungsplattform der Universität Wuppertal und des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Ich werde weiterhin mit der Bundesstiftung Bauakademie zusammenarbeiten, insbesondere im Themenfeld des seriellen, modularen und systemischen Bauens auch auf internationaler Ebene. Ich freue mich, wenn ich mich weiter einbringen kann.
Zum Thema:
Die BauNetz Meldungen haben mehrfach über die Bundesstiftung Bauakademie berichtet, unter anderem über die Debatte zum Wettbewerb die Empfehlungen des Think Tank, die Fachgespräche und Ansätze der Reallabore.
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