Es ist ein Brauch, der sich alle acht Jahre wiederholt. Amerika spendiert seinen Präsidenten zum Abschied eine Presidential Library, und überall spekulieren Architekten über Ort und Form. Für Barack Obamas Bibliothek sind derzeit New York, Honolulu und Chicago im Gespräch, in Ergänzung zu seinem Presidential Center, für das bereits ein Entwurf von Snøhetta existiert.
Um in diesem Wettbewerb der Standorte nicht ins Nachtreffen zu geraten, bat der altehrwürdige Chicago Architectural Club kürzlich um Ideen für ein Grundstück an einer Gabelung des Chicago River. Dieses liegt zwar nahe der Innenstadt und damit ein ganzes Stück entfernt von der South Side, Obamas früherer Wirkungsstätte. Dafür bieten sich hier stadträumlich besonders spektakuläre Ausblicke.
Vergeben wurden von der Jury zwei erste Preise, die sich auf fast schon skurrile Weise ergänzen. Zhu Wenyi, Fu Junsheng und Liang Yiang schlagen ein riesiges, kreisrundes Gebäude vor, das über dem Fluss schwebend die drei Ufer der Fußgabelung verbindet. Auf diesen Entwurf antwortet Aras Burak Sen, der statt einer weitläufigen Form eine kompakte Kugel vorschlägt. Diese erinnert an Revolutionsarchitektur, würde sich jedoch in der kartesianischen „Kistenlandschaft“ der Downtown gut machen.
Drei weitere Projekte von Dániel Palotai, Drew Cowdrey und Trey Kirk sowie Ann Lui und Craig Reschke erhielten außerdem Anerkennungen. Der Entwurf von Lui und Reschke ist dahingehend bemerkenswert, dass ihre Drohnen-Bibliothek, bei der kleine Flugapparate die Menschen zu Hause bedienen, auch kritisch gelesen werden kann. Obamas Vermächtnis bestünde nämlich auch in der automatisierten Eroberung des Himmels, so die Verfasser, zu Hause wie auf den globalen Kriegsschauplätzen. (sb)
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www.chicagoarchitecturalclub.org