Von Annika Wind
Utopien reichen bis ins Unendliche. In der Mannheimer Multihalle allerdings ist nach 20 Metern Schluss. Bis dort hinauf ragt die Plastikhaut auf der größten Holzgitterschalenkonstruktion der Welt. Und das raumhohe Baugerüst knapp darunter, das seit mehreren Jahren ihr weiteres Absinken verhindert. Frei Ottos „Wunder von Mannheim“ muss seit Jahren abgestützt werden. Das Gebäude ist marode. So sehr, dass die Stadt im Sommer 2016 für seinen Abriss stimmte, sollten sich keine Sponsorengelder finden.
Seitdem kämpft die Architektenkammer Baden-Württemberg für den Erhalt. Mit der Stadt hat sie einen Verein gegründet und am vergangenen Wochenende einen Workshop organisiert, in dem 50 Architekten, Städteplaner, Statiker, Bauphysiker, Holzbauexperten, Künstler und Kreative über neue Aufgaben für das in die Jahre gekommene „Raumwunder“ diskutieren konnten. Zwölf Millionen Euro soll nach einem Gutachten die Sanierung kosten, zusätzlicher Stützpfeiler inklusive. „Ich glaube, dass eine Instandsetzung allerdings für weitaus weniger Geld möglich ist“, sagt der Mannheimer Architekt Ludwig Schwöbel, der einst mit Joachim Langner, Carlfried Mutschler und eben Frei Otto an der Multihalle mitgebaut hatte. Das Konstrukt müsse nur in seinen Originalzustand zurückversetzt werden. Dann sei sein Bestand auch für die nächsten Jahrzehnte gesichert.
Probleme gäbe es dennoch: „Im Sommer ist die Halle zu heiß, im Winter zu kalt“, erklärte etwa Professor Volkmar Bleicher von Transsolar Energietechnik in Stuttgart. Wären womöglich Pneus, verschieden große Traglufthallen, in denen man ein eigenes Klima schaffen könnte, die Lösung? Der Eindruck einer nahezu freischwebenden, wabernden Plastikhaut, die sich durch die Parklandschaft zieht, könnte man so auf jeden Fall erhalten.
Sicher ist aber auch, dass Frei Ottos Konstrukt in einer abgeschlossenen Parkanlage steht. Nicht gerade günstig wenn es darum geht, Investoren zu finden. Ein Gremium entwickelte daraufhin einen „Innovation Loop“, eine Art Campus-Gelände, das auf einer Achse vom Schloss bis zum Herzogenriedpark liegen und die Halle in eine Reihe von interdisziplinären Institutsbauten aufnehmen könnte. „Die Multihalle sollte Teil der nächsten Bundesgartenschau 2023 werden“, erklärte Jens Ludloff, Professor am Institut für Nachhaltigkeit, Baukonstruktion und Entwerfen an der Universität Stuttgart, die Ideen seiner Projektgruppe Multi-Frei. Bis dahin sei es wichtig, sie schnellstmöglich wieder nutzbar zu machen – für Workshops, Kinderevents oder „spektakuläre Veranstaltungen mit Signalwirkung“.
Als „Experimentarium“ würden sie einige Experten gern sehen. Hochschulen könnten sie als eine „permanente Summer School“ betreiben, so Jan-Philip Possmann, Leiter des Mannheimer Künstlerhauses Zeitraumexit. Als „Labor für Fragen der Zukunft“ bliebe sie zudem in öffentlicher Hand. Unter dem Titel „Frei-Raum“ hatte ein Gremium indes Schlittschuhläufer oder Skater in die Multihalle geschickt – auf Renderings. „Für ein Kreativsportzentrum müssten nur alle Raumabtrennungen herausgenommen werden“, erklärte Architektin Karin Storch. Und selbst das Baugerüst bekäme dann eine neue, eine weitere Aufgabe – zum klettern.
Die Stadt will nun alle Ideen, aber auch die Kosten prüfen. Im Mai steht die Multihalle wieder auf der Agenda des Gemeinderates, der eine endgültige Entscheidung über einen Abriss nun immerhin auf Ende 2018 verschoben hat. In einem „Letter of Intend“ haben zudem alle Workshop-Teilnehmer an die Landesregierung Baden-Württemberg appelliert, Mittel zur Verfügung zu stellen. Für den Erhalt eines Gebäudes, das mit seinen fließenden Formen für eine offene Gesellschaft steht - und den Wandel.
Visualisierungen: YallaYalla/Arthur Bauer
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Mehr Infos zur Multihalle und dem neu gegründeten Verein zu ihrer Rettung gibt es auf der Internetseite www.mannheim-multihalle.de
Für den Erhalt der Halle haben die Stadt Mannheim und die Architektenkammer Baden-Württemberg ein Spendenkonto eingerichtet: Sparkasse Rhein Neckar Nord, Multihalle Mannheim (e.V.), BIC MANSDE66XXX, IBAN DE47 6705 0505 0039 7026 14
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