1970 eröffnete die Zentrale der Armstrong Rubber Company in New Haven von Marcel Breuer. Der monumental aufragende Klotz steht selbstbewusst zwischen Gleisanlagen, Gewerbebauten und einem Highway, der hier direkt an der Uferpromenade verläuft. Seit 1968 hatten Breuer und sein Team an dem zweigeteilten Haus mit seinem großzügigen waagrechten Luftraum gearbeitet. Der Sockel war für Forschungsabteilungen und Labore bestimmt, der obere Bereich für Büros. Er ist als Stahlkonstruktion ausgeführt, die zwischen zwei Stahlbetontürme an den Stirnseiten des Hauses gehängt wurde. An der Hülle arbeitete Breuer mit vorgefertigten Fassadenpaneelen.
Seit den 1990er Jahren stand das Haus weitgehend leer. Zwischenzeitlich gehörte es Pirelli und Ikea. Vor 20 Jahren wurde schließlich ein weitläufiger zweigeschossiger Flügel rückgebaut. Ansonsten passierte nichts. Von „Abriss durch Vernachlässigung“ sprachen viele in New Haven, bis Architekt und Projektentwickler Bruce Becker das Haus 2019 kaufte. Mit seinem Büro Becker + Becker (Westport) baute er es zum Hotel um.
Seit diesem Sommer kann man im Hotel Marcel einchecken. Der Neubau bietet 165 Zimmer, darunter einige weniger attraktive an innenliegenden Lichtschächten, aber auch großzügige „historische Suiten“ mit entsprechender Einrichtung und Ausstattung. Hier dürfen natürlich die berühmten Stahlrohr-Freischwinger nicht fehlen, mit denen der junge Breuer am Bauhaus bekannt wurde bevor er – als Jude von den Nazis verfolgt – Deutschland verließ und schließlich in die USA immigrierte.
Laut Aussage der Architekt*innen waren ihnen der Respekt vor dem Bestand und energetische Nachhaltigkeit gleichermaßen wichtig. Das Innere folgt der Logik internationaler Hotelstandards. Trotzdem konnte vor allem im Bereich der Böden und Wände einiges erhalten werden – etwa hölzerne Wandvertäfelungen in den ehemaligen Chefbüros oder die gelb-braunen Kacheln an den Wänden im Erdgeschoss. Konsequent brutalistisch zeigen sich die Treppenhäuser, die von den Hotelgästen in der Regel nicht genutzt werden. Hier sollten sie es jedoch tun, denn die originale Betonsichtigkeit blieb komplett erhalten.
Die äußere Hülle blieb unverändert, auch der markante Luftraum zwischen den beiden Gebäudeteilen blieb erhalten. Im Inneren war eine Asbestsanierung notwendig. Anschließend wurde die Fassade von innen neu gedämmt. Zusammen mit der Photovoltaik auf dem Dach und den neu eingebauten, thermisch getrennten Dreifachfenstern, die in Größe, Farbe und Material dem Original entsprechen, erreicht der Umbau Passivhaus-Standard, betonen die Architekt*innen. Das oberste, fensterlose Geschoss war ursprünglich komplett der Haustechnik vorbehalten. Es bietet nun Räume für Veranstaltungen und Konferenzen, die sich um zwei Patios gruppieren. (gh)
Fotos: Seamus Payne
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